in den letzten Wochen und Monaten ist es wüst zugegangen in der Bucht. Wasser, Ufer und Menschen haben gelitten. Wie schon in unserem Frühjahrsputz im April wollen wir Wasser und Ufer von den angeschwemmten Fremdkörpern befreien. Gemeinsam mit Anwohnern und Bezirk laden wir, die Spree:publik, der Zusammenschluss der nichtkommerziellen Kulturflöße, Freizeit- und Hausboote Berlins, zum Ende der Saison daher zu einer gemeinsamen herbstlichen Reinigungsaktion der Rummelsburger Bucht ein.
Da die Brutaktivitäten der Wasservögel nun vorüber ist, können mit Unterstützung des NABU auch die Röhrichtbereiche gereinigt werden.
Am 24.08.2019 fand das Wasserfest veranstaltet vom IkARUS Stadtteilzentrum (http://www.sozdia.de) statt. Beim legendären Drachenbootrennen ging dieses Jahr zum ersten Mal auch die Spree:publik mit ins Rennen und holte auch für uns überraschend den ersten Platz. Zusammen mit dem Stand auf dem Wasserfest konnten wir so die Sichtbarkeit der Kulturflöße auf der Bucht erhöhen und mit anderen Initiativen und Nachbarn ins Gespräch kommen.
Im Februar 2019 wurde seitens des WSA Berlin auf Antrag der Bezirke Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg ein Festmachverbot für große Uferbereiche am Rummelsburger See erteilt. Dieses Festmachverbot gilt im Wesentlichen auf der kompletten Lichtenberger Seite der Bucht, sowie auf der Friedrichshainer Seite von der westlichen Spitze der Bucht bis zum Palmkernölspeicher.
Ürsprünglich war auch ein Ankerverbot für den kompletten See beantragt worden. Dieses konnten wir jedoch mit juristischem Beistand konnten und Lobbyarbeit bei bei GDWS und dem WSA verhindern.
Liebe Nachbarn der Rummelsburger Bucht, die Spree:publik, der Zusammenschluss der nichtkommerziellen Kulturflöße und -Boote Berlins, lädt am 13.07.2019 zu einem Wasserkonzert vor den Toren der Rummelsburger Bucht ein. Interessierte können sich unter kontakt@spreepublik.org um eine der begrenzten Plätze auf den Flößen bewerben. Menschen mit eigenem Schwimmuntersatz sind in jedem Fall herzlich willkommen!
Die Rummelsburger Bucht ist beliebt bei Hausbootbesitzern, nicht allen Anwohnern passt das. Der Senat will ankern verbieten, darf das aber nicht entscheiden. Robert Klages
Wellen schwappen an das Atelierboot von Claudius Schulze und bringen die Discokugel zum Schwingen. Die Sonnenstrahlen tanzen über den Vorderbau mit Holzbank und ins Innere des Bootes, auf den großen Arbeitstisch und über die Sofaecke. Mit einem kleineren Boot ist der Fotograf vom Ufer der Rummelsburger See herübergekommen, mitten aufs Wasser. Seit einem Jahr liegt sein schwimmendes Atelier dort – um ihn ankern rund 25 weitere Boote. Doch die Senatsumweltverwaltung möchte ein Anker- und Nachtfahrverbot durchsetzen und befindet sich deswegen in einem Streit mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV).
Wenn es nach der von Regine Günther (neuerdings Grüne, vormals parteilos) geleiteten Senatsverwaltung geht, soll die Bucht nicht mehr als dauerhafter Wohnort genutzt werden. Von einem Ankerverbot ausgenommen sein sollen lediglich die Arbeitsfahrzeuge, die für die Sanierungsarbeiten am Westufer benötigt werden. Für Wohnschiffe und andere schwimmende Plattformen müsste eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden. Zuwiderhandlungen sollen mit Ordnungsgeld bestraft werden.
Die Sedimente, also der Boden des Sees, sind nach wie vor stark mit Schwermetallen und anderen Schadstoffen belastet – das wurde Anfang 2017 bekannt. Zur Sanierung des Westufers sollen ein Teil der Wasserfläche (das Westufer plus 40 Meter davor) ohnehin für eine gewisse Zeit gesperrt werden. Zuletzt hatte der Senat getestet, wie die Sedimente aus dem Seegrund am besten herausgehoben werden können. Dabei hatte sich gezeigt, dass „erhebliche Mengen an organischen Schadstoffen“ auch ohne Bautätigkeiten am Seegrund entweichen würden. Der dauerhafte Aufenthalt in der Nähe des Westufers wird darum als bedenklich angesehen. Für die Sanierungsarbeiten sollen Palisaden auf dem Wasser errichtet und Schilf angepflanzt werden – um zu verhindern, dass Boote hindurchfahren.
Ein Ankerverbot über die Sanierungsarbeiten hinaus würde das Zusammenleben auf dem See wohl zerstören, meint Claudius Schulze. Nach Amsterdam und Paris ist Berlin die dritte Station für ihn und Blackie, seine schwarze, einohrige Katze. Wenn Schulze abends zurückgeht in seine Friedrichshainer Wohnung, bleibt sie auf dem Atelierboot. Dieses wurde 2016 im Hamburger Hafenmuseum gebaut, dann zog Schulze damit zwei Jahre lang durch Europas Wasserstraßen. In Amsterdam mussten sie überwintern, in Paris kostete der Anlegeplatz nahe dem Louvre 2000 Euro pro Tag.
Hausboote als „Berlin-Gefühl“
Der Bau des Bootes und das Projekt wurden vom Bundesaußenministerium gefördert: Ziel war es, das Verhältnis zwischen Natur und Urbanität künstlerisch zu erschließen. Auch „Visit Berlin“ half bei der Materialfinanzierung mit 25.000 Euro, erst letztes Jahr schloss Berlins Tourismusagentur eine Kooperationsvereinbarung mit den Bezirken und der Senatsverwaltung für Wirtschaft ab. Schulze findet das verlogen: „Die Rummelsburger Bucht und ihre Hausboote sind Teil dieses Berlin-Gefühls, mit dem Touristen angelockt werden“, erzählt er, während er die Katze füttert. „Und genau dieses Berlin-Gefühl will die Stadt nun hier durch das Ankerverbot verbieten.“
Während er das sagt fahren zwei Touristinnen in einem Tretboot um sein Atelier und grüßen freundlich. Das passiere mehrmals täglich, sagt Schulze. Oft würden die Touristen fragen, ob sie Fotos machen dürfen. Der 35-Jährige promoviert gerade an einer Universität in London. Für seine Fotoarbeiten reist er durch Europa, wenn er nicht gerade in seinem Atelier auf dem Rummelsburger See ist. Seine Arbeit beschäftigt sich mit Natur, Technologie, dem Klimawandel und sucht Orte, die dies aussagekräftig zeigen. Er arbeitete auch als freier Fotograf, etwa für den „Spiegel“, „Stern“ und die „Geo“. Er präsentiert einen großen Bildband: „State of Nature“ dokumentiert das Ausmaß von Klima- und Naturkatastrophenschutzmaßnahmen in der europäischen Landschaft. Nach dem Abitur in München studierte Schulze Politik- und Islamwissenschaft in Hamburg und anschließend bis 2010 in Istanbul Konfliktstudien.
Kultur auf dem Wasser
Nun würde er gerne länger in Berlin und auf der Rummelsburger Bucht bleiben. Schulze ist Teil von „Spree:publik“, ein Zusammenschluss von nicht-profitorientierten Kulturflößen, die sich dafür einsetzen, dass „Wasserflächen auch als soziokulturelle Ressource wahrgenommen und als Freiraum für zivilgesellschaftliches Engagement verstanden werden“. Sie wollen einen „Kulturhafen“ in Berlin schaffen, also Kunst auf dem Wasser, Theater, Kino, Workshops und vieles mehr auf Hausbooten – am liebsten auf dem Rummelsburger See. Dort gibt es bereits das Bühnenfloß „Panther Ray“ und die „Wackelberry“, auf der Filme gezeigt werden. Oder die „Nuria“, noch eine schwimmende Kulturplattform.
Dies sind nur drei Beispiele, die von einem Ankerverbot allerdings nicht betroffen wären, da sie an der genehmigten Fischerspundwand auf der Friedrichshainer Seite des Sees liegen. Auch ein bereits von den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg beschlossenes Anlegeverbot betrifft diese genehmigten Plätze nicht. Im Gegensatz zum Ankerverbot konnte ein Anlegeverbot schnell durchgesetzt werden, da die Ufer des Sees den jeweiligen Bezirken gehören – während der See selbst als Bundeswasserstraße dem Bund gehört. Daher kann ein Ankerverbot nur vom Bund und dem WSV beschlossen werden.
Kritik an Booten und Besitzern
Die Schilder mit dem Anlegeverbot sollen bald aufgestellt werden. Die Bezirke wollen damit gegen Boote vorgehen, die an nicht genehmigten Stellen des Ufers festgebunden sind. Die ausgewiesenen Anlegestellen sollen davon nicht betroffen sein. Claudius Schulze glaubt, dass dies zunächst dazu führt, dass einige Boote nicht mehr am Ufer, sondern auf dem See „parken“ werden. Oftmals sind es Eigenbauten oder umgebaute ältere Boote. „Spree:publik“ unterstützt Interessierte dabei, Boote und Flöße zu bauen.
Doch einige Buchtanwohner und die Senatsumweltverwaltung sehen in ihnen oftmals schwimmenden Müll, der nicht aufs Wasser gehört. Es gebe eine Vielzahl von „selbstgebauten Vehikeln“, die „keinen wirtschaftlichen Wert darstellen“, schreibt die Verwaltung. Viele Boote seien weder amtlich erfasst, noch ihre Eigentümer bekannt.
Laut Senat waren im vergangenen Sommer 183 Liegeplätze für Sportboote auf der südlichen Friedrichshainer Seite genehmigt. Zusätzlich zu den genehmigten Anlagen befanden sich 101 Boote an den Spundwänden und auf dem See. 2016 seien es noch 24 gewesen. Hinzu kommen „Partyboote“, die in die Bucht einfahren und manchmal über Nacht bleiben. 2018 gab es 22 Einsätze wegen Lärmbelästigung. Diese „ungeordnete Entwicklung“ habe zu „erheblichen Konflikten geführt, die auf bezirklicher Ebene mit ordnungsbehördlichen Mitteln nicht mehr gelöst werden können“, heißt es von der Senatsverwaltung in dem Antrag auf ein Anker- und Nachtfahrverbot im Rummelsburger See von Ende Februar. Diesen hatte der WSV im Mai abgelehnt.
Die Senatsverwaltung hat jedoch Anfang Juni Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid des WSV eingereicht, verbunden mit dem Hinweis, dass eine ausführliche Begründung nachgereicht werde. Ende Juni lag diese Begründung in der Bundesbehörde immer noch nicht vor, weshalb noch nicht über den Widerspruch entschieden werden konnte.
Ist das ein Boot oder kann das weg?
Die Senatsverwaltung schreibt in dem Antrag vom Februar, Anwohner hätten sich über über „Gegenstände“ im Wasser beschwert. Diese seien, „je nach Auge des Betrachters durchaus als Müll einzustufen“. Das Stadtplanungsamt des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg hat ein Konzept erarbeitet, um „Konflikte zwischen der ansässigen Bevölkerung und den Nutzern des Sees zu vermeiden“. Es soll sicherstellen, dass die Zahl der Anlegeplätze begrenzt bleibt – schließlich seien die Ufer mit Wohnhäusern bebaut worden und die ufernahen Freiflächen sollen als Erholungsflächen dienen. Auch der Fachbereich Stadtplanung in Lichtenberg hat ein Konzept entworfen, das freie Sichtachsen für die Bewohner der Neubauten vorsieht. Diese könnten durch ankernde Boote gestört werden. Zudem gehe der nächtliche motorisierte Betrieb zulasten der Anwohner.
WSV hat andere Sichtweise
Der WSV sieht das anders: Der Rummelsburger See ist ein Nebenarm der Spree-Oder-Wasserstraße und „eine dem allgemeinen Verkehr dienende Bundeswasserstraße“. Es sei jedem gestattet, diese auch zu befahren. Und der Begriff des Befahrens umfasse nicht nur eine Bewegung, sondern auch das Ankern, Liegen, Anlegen und Festmachen. Außerdem würde ein Ankerverbot lediglich die Benutzung eines Ankers verbieten. „Fort wären die Wasserfahrzeuge damit nicht.“ Es sei auch zu beachten, dass durch ein Ankerverbot lediglich der Standort der Boote verlagert würde – zum Beispiel auf den Hauptarm der Spree mit Berufsschifffahrt. Ein Verbot sei „nicht erforderlich, unverhältnismäßig und nicht sachgerecht“. Die Stadt und die Bezirke hätten bei der Uferbebauung beachten müssen, dass es sich bei der Bucht um einen Verkehrsweg handele.
Beklagt werde außerdem hauptsächlich der Lärm der „Partyboote“ – und Lärm, der nicht vom Schiffsbetrieb ausgeht, falle nicht in die Zuständigkeit des WSV, sondern in die der Ordnungsbehörden und der Polizei. Wenn diese nicht in der Lage seien, die Beschwerden zu untersuchen, könne nicht ein allgemeines Ankerverbot die Lösung sein. Denn dieses hätte zur Folge, dass alle Nutzer der Wasserstraße sanktioniert würden, obwohl nur das Verhalten einzelner Nutzer Beschwerden der Anwohner ausgelöst hatten.
„Lummerland“ im Fokus
Die Beschwerden richten sich größtenteils gegen das sogenannte „Lummerland“ – ein Zusammenschluss von Booten und Flößen, sogar eine Sauna gibt es. Anwohner auf der Lichtenberger Seite hatten auf einer Versammlung im März Innensenator Andreas Geisel (SPD) Druck gemacht, er möge endlich etwas gegen das schwimmende Dorf unternehmen. Sie vermuten Drogenkonsum, beschweren sich über Lärm, Müll und Wasserverschmutzung durch Fäkalien. Geisel entgegnete, die Wasserschutzpolizei habe zu wenig Boote, um zu kontrollieren. Die Anwohner machen immer wieder Fotos, die Straftaten belegen sollen. Handfeste Beweise waren wohl noch nicht dabei.
„Spree:publik“ und „Lummerland“ sind zwei recht unterschiedliche Gemeinschaften auf dem Wasser. Letztere sieht die Bucht eher als Ort der Anarchie: Sie war unter den Ersten, die hier waren, noch bevor die Stadt die Ufer mit Luxuswohnungen bebaut hat oder Schule aus München und sein Atelierboot ankamen. Trotzdem koexistiert man, der See verbindet. Man helfe sich gegenseitig, erzählt Schulze, man müsse sich dazu ja nicht mögen.
Polizei überfordert
Die Senatsverwaltung gibt in dem Antrag auf das Ankerverbot zu, nicht mehr Herr der Lage zu sein: Man habe nur ein Streifenboot der Wasserschutzpolizei und 37 Mitarbeiter des Ordnungsamtes im Bootsstreifendienst, um den See rund um die Uhr zu sichern. „Der Wasserschutzpolizei (WSP) gelingt kaum oder gar nicht die Kontrolle der sogenannten Schwimminseln.“ Die „Lummerland“-Bewohner würden die Kommunikation verweigern und die Beamten nicht an Bord lassen. Die Wasserbewohner würden über ein „Frühwarnsystem“ verfügen und seien „ausgezeichnet organisiert“. Gemeint ist wohl eine Whatsapp-Gruppe, in der die See-Community kommuniziert. Laut Senat fällt es der Polizei zudem schwer, dauerhaftes Ankern nachzuweisen. Boote dürften einen Tag lang in der Bucht liegen. Mit jeder Bewegung verlängert sich diese Frist. Eine Kontrolle sei der WSP nicht möglich. Anwohner verstehen das nicht und sind empört: Seit Jahren sehen sie dieselben Boote an immer derselben Stelle. Laut Senatsverwaltung trauen sich viele Anwohner nicht, Anzeige zu erstatten, da sie Angst vor den „Lummerland“-Bewohnern hätten.
Badewanne als Boot
Auch Schulze stört sich gelegentlich an dem Lärm – aber nicht vom „Lummerland“, sondern von Partybooten, die in die Bucht einfahren. Junggesellenabschiede zum Beispiel oder Touristenboote. Und er glaubt, dass die Anwohner um den See nur schwer unterscheiden könnten, woher der Lärm kommt, besonders nachts. Er wirft den Motor seines kleinen Pendelbootes an und fährt zurück zum Ufer. Dort grüßt er eine junge Frau, die sich ein Floss aus unter anderem einer alten Badewanne, Holzpaletten, zwei Surfbrettern und einem Motor gebaut hat. Vorne dran hängt der Kopf eines Plastik-Hirsches. „Das Boot ist sehr schnell unterwegs“, meint Schulze. Einige Anwohner würden es wohl als Müll beschreiben. Sollte es wirklich ein Nachtfahrverbot geben, würde er übrigens einfach paddeln.
In der Rummelsburger Bucht wird es vorerst kein Ankerverbot geben. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Berlin hat einen entsprechenden Antrag der Senatsverwaltung abgelehnt. Für Hobbykapitäne und Hausbesitzer ist das ein Etappensieg. Von Oliver Noffke
Boote werden auch zukünftig auf dem Rummelsburger See ihren Anker werfen können. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA) hat einen Verbotsantrag der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz aus verfahrenstechnischen Gründen abgelehnt, wie die Initiative Spreepublik rbb|24 am Freitag mitteilte.
Das WSA ist der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) unterstellt, einer Bundesbehörde, die für sichere und freie Fahrt auf Bundeswasserstraßen zuständig ist. Das WSA prüfte stellvertretend und stellte dabei fest: „Da im vorliegenden Fall eine Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit der Schifffahrt auf dem Rummelsburger See, welche durch ein Anker- bzw. Nachtfahrverbot hätte beseitigt werden können, nicht besteht, konnte dem Antrag des Landes Berlin nicht stattgegeben werden.“
Anlegeverbot noch nicht vom Tisch
Die Entscheidung, die vom WSA noch nicht öffentlich gemacht wurde, bedeutet einen Etappensieg für Hausbootbewohner und Bootsbesitzer, die in der Rummelsburger Bucht wohnen oder ankern. Ein Anlegeverbot – etwa an den Spundwänden oder Uferbereichen – ist allerdings noch nicht vom Tisch.
In der Rummelsburger Bucht gibt es Spannungen zwischen Bootsbesitzern und einigen landseitigen Bewohnern und Akteuren, wie rbb|24 berichtete. Als Streitpunkte gelten unter anderem Lärm- und Müllprobleme, für die die Senatsverwaltung in ihrem Antrag die Bootsbesitzer verantwortlich gemacht hat. Einige der Hausbootbewohner haben sich zum Förderkreis Spreepublik zusammengeschlossen, um ihre Interessen zu vertreten. Sie weisen die Vorwürfe des Senats als pauschal und ungerechtfertigt zurück.
Lärm und Müll am Wasser, darüber beschweren sich Anwohner am Rummelsburger See. Einiges kommt von den Booten, die teilweise dauerfhaft in der Bucht liegen. Auf dem Wasser – einem kaum regulierten Raum – kann jeder mit einem Boot fahren, anlegen und auch ankern. Künftig wird dies schwieriger werden: Die Bezirke Lichtenberg und Friedrichshain haben Anker- und Anliegeverbote beantragt. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt hat sie genehmigt. Bald werden die ersten Schilder aufgestellt.
Zehn Kubikmeter Abfall wurde innerhalb von drei Stunden aus der Rummelsburger Bucht gefischt und an ihren Ufern gesammelt. Am Sonntag hat die „Spree:publik“ eine Säuberungsaktion veranstaltet (Mehr dazu in der „Kiezkamera“ weiter unten im Newsletter). Finanziert hat die Aktion das Bezirksamt Friedrichshain, in Lichtenberg hat man nicht nach Unterstützung gefragt. Die Spree:publik, ein unkommerzieller Zusammenschluss aus Kreativen und Bootsliebhabern hat vor der eigenen Haustür saubergemacht. Auf den um die 15 Flößen und Booten wird Theater gespielt, Urban Gardening betrieben und werden Konzerte gegeben.
„Wir wollen nicht mit allen in einen Topf geschmissen werden“, sagt Johannes Heereman von der Spree:publik, „einiges von dem Müll stammt zwar von Booten in der Bucht, aber nicht von uns.“ Er wünscht sich mehr Respekt im Umgang miteinander und der Natur. Die Spree:publik erstellt momentan eine Liste mit passenden Standorten für öffentliche Mülleimer, die sie dann dem Bezirksamt weitergeben möchte.
Ein Anleger-, Anker- und möglicherweise Nachtfahrverbot wird nicht nur die schwarzen Schafe treffen, auch die Spree:publik muss dann umdenken. Einige der Boote haben feste Liegeplätze an der Spundwand, aber auch Pachtverträge können gekündigt werden. Wie genau die Verbote aussehen werden, war heute noch nicht zu erfragen. Fahrgastschiffe, Bootsclub und 22-Stunden-Anleger sollen wohl nicht betroffen sein.
Liebe Nachbarn der Rummelsburger Bucht, die Spree:publik, der Zusammenschluss der nichtkommerziellen Kulturflöße und -Boote Berlins, lädt am 07.04.2019 zu einer gemeinsamen Reinigungsaktion der Rummelsburger Bucht ein. Mit Unterstützung des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg, wollen wir am Sonntag Nachmittag ab 13.30 Uhr gemeinsam die Ufer sowie das Wasser der Rummelsburger Bucht von Müll befreien. Treffpunkt ist der 22h Bootsanleger Nähe Charlotte-Salomon-Hain auf der Lichtenberger Seite. Dies ist auch eine gute Gelegenheit um sich näher kennen zu lernen und sich über die Zukunft der Rummelsburger Bucht auszutauschen. Wir freuen uns über eine rege Teilnahme aus der Nachbarschaft.
An der Rummelsburger Bucht soll ein Aquarium-Hotel-Wohn-Komplex entstehen. Piraten, Besetzer und Zeltbewohner fürchten ihre Verdrängung, Anwohner den Tourismus, Umweltschützer das Gift im Grund. Mit Demos und einer Besetzung kämpfen sie um den letzten großen Freiraum Berlins. Eine Geschichte von Haien und Rapfen
Harry bleibt hier. Auch wenn der Bezirk ihn weghaben will. Das zumindest ist Harrys Plan. Er sitzt in einem Einkaufswagen, den er zum Schaukelstuhl umgebaut hat. Harry ist Schmied, zweckentfremdet Alltagsgegenstände und gibt ihnen eine neue Funktion. Er verwandelt auch Grabsteine in Hocker und Besteck in Garderobenhaken. Harry sitzt inmitten von Metallresten, die er zu Kunst und Möbeln verarbeiten will, dreht sich eine Zigarette und sagt: „Das war der schönste Sommer meines Lebens.“
Harry und seine Werkstatt befinden sich auf dem Deck eines Schiffes am Westufer der Rummelsburger Bucht. Am 15. Oktober wurde es von seinen Nutzern besetzt. „Freibeuter“ nennen die Besetzer das frühere „Jugend-, Sport- und Freizeitschiff“. Harry blickt ins Weite, übers Wasser und zahlreiche Boote. Auf einem steht ein Labrador und reckt seinen Kopf, als würde er Ausschau halten. Ein orange-rotes Boot trägt den Schriftzug „FreiTraum“. Am Ufer stehen Zelte, halb verdeckt von Büschen. Im Wasser davor waschen Zeltbewohner ihre Wäsche. Spaziergänger, Jogger und Fahrradfahrer ziehen vorbei. Hinter den Palisaden des Biergartens Rummels Bucht trinken Menschen Bier und essen Pizza.
Die Rummelsburger Bucht ist ein 400.000 Quadratmeter großer Spielplatz für die Verwirklichung alternativer Lebensformen. Der letzte große Freiraum der Stadt. Doch sein Ende scheint nah. Das Schiff, auf dem Harry sitzt, will das Bezirksamt von Friedrichshain-Kreuzberg verschrotten lassen oder anderweitig loswerden. Am westlichen Ende des Gewässers sollen ein Aquarium, eine Parklandschaft und Wohnungen entstehen. Entwicklungskonzepte sehen Anker- und Motorbootverbote in Teilen der Bucht vor. Im Konzept von Friedrichshain-Kreuzberg heißt es, die Wohnnutzung des Gewässers sei nicht zu dulden. Sie sei ungesund und würde die „Erlebbarkeit des Ufers“ beeinträchtigen.
Nachdem Mitte und Friedrichshain weitestgehend durchkommerzialisiert wurden, bahnt sich die Gentrifizierung nun spreeaufwärts ihren Weg. Die Halbinsel Stralau, die Rummelsburger Bucht und Spree trennt – vor 15 Jahren zum großen Teil wildes Brachland mit graffitibedeckten Ruinen – ist beinahe komplett mit hochpreisigen Wohnhäusern bestückt. Schmale Townhouses und riesige Balkone prägen das Bild. Auf der Inselwurzel Richtung Friedrichshain drehen sich die Kräne für einen 50.000-Quadratmeter-Bürokomplex.
Was den weniger Wohlhabenden bleibt, ist das Wasser – es gibt viele, die auf ihren Booten übernachten – und das Areal, auf dem das Aquarium entstehen soll, es beherbergt mehrere Obdachlosen-Zeltlager.
Benjamin Kahn steht am Ufer nahe der Zeltlager. Das Wasser ist klar, darunter ist Sand zu sehen. Über Kahn wölben sich Bäume, zu seinen Füßen stehen Pflanzen. Geht es nach Kahn, kommt das alles weg. Die Firma des 63-jährigen israelischen Meeresbiologen, Coral World International, hat 7.140 Quadratmeter Fläche zwischen Paul-und-Paula-Ufer, Kynast- und Hauptstraße gekauft. Der Boden ist hochgradig mit Schadstoffen belastet. Der Deal: Kahn bekommt das Grundstück günstiger, dafür muss seine Firma den Boden austauschen. Bis zu welcher Tiefe, das hängt von der Schadstoffbelastung ab, wie günstig das Grundstück dann wird, ebenfalls.
Haie und Rapfen
Kahn rechnet mit Grundstückskosten von 7 bis 10 Millionen Euro. 40 Millionen Euro will seine Firma in das Bauprojekt Coral World Berlin investieren. Etwa ein Drittel der Außenbereiche soll öffentlich zugänglich sein, der Rest für Normalverdienende 20 bis 25 Euro Eintritt kosten. „Es geht nicht um das Geld, es geht um den Ozean“, sagt Benjamin Kahn. Die Menschen sollen in seinem Aquarium in die Meereswelt eintauchen und deren Probleme kennenlernen.
Wenn Benjamin Kahn der Hai in dieser Geschichte ist – er operiert international und ist ein großer Fisch –, dann ist Gijora Padovicz ein Rapfen. Er beschränkt seine Jagd auf Berliner Gewässer. Padovicz ist für rabiate Entmietungsstrategien bekannt. Er investiert ebenfalls am Westufer der Rummelsburger Bucht, plant den Bau von Wohnungen in der Hauptstraße 1. Kita- und Schulplätze, in der Gegend Mangelware, sind auf dem gesamten Areal nicht angedacht.
Die Kette Coral World, die das Aquarium errichten will, betreibt weltweit bereits vier solcher Stätten. In einem von Coral World entwickelten Aquarium in Spanien können Kinder für 50 Euro pro Person vor den Hai-Tanks eine Pyjama-Party feiern. Wer dafür zu alt ist, kann mit Haien schwimmen. Gegner des dann dritten Aquariums in Berlin kritisieren, dass die Tiere dafür aus ihrem natürlichen Umfeld gerissen werden. Der Transport bedeute für sie Stress und häufig den Tod.
„Kein Tier wird aus seinem natürlichen Umfeld herausgerissen, sondern die Tiere werden zoologisch fachkundig behandelt, das kann man wirklich so sagen“, sagt die 60-jährige Geschäftsführerin von Coral World Berlin, Gabriele Thöne. Sie steigt mit Benjamin Kahn und weiteren Kollegen die Treppen zum Wasser hinab und schaut lächelnd zurück, Richtung Land. Die Korallen, die sie dort ausstellen will, werden schon jetzt in Berlin gezüchtet. Haie und andere exotische Fische würden importiert. Zum hautnahen Beobachten sind auch offene Becken geplant. Tierschützer fürchten: Streichelbecken. Anna Maske, die 49-jährige Architektin des Projektes, sagt: „Nur weil man ein offenes Wasserbecken zeigt, sind nicht automatisch alle eingeladen, die Tiere darin anzufassen. Ich würde doch auf einer Wiese auch nicht einfach eine Blume abreißen.“ Die offenen Becken werden laut ihrer Aussage permanent überwacht und sollen nur der Betrachtung dienen. Im Coral World Aquarium USA, auf den Jungferninseln, gibt es sogenannte „Touch Pools“.
Maske arbeitet seit fünf Jahren an dem Projekt. Sie sagt: „Das wäre sehr dumm für Berlin und für die Leute, die dort wohnen, dieses unglaublich tolle Angebot der Mitwirkung am Naturschutz auszuschlagen. Wogegen oder wofür?“
Freiraum statt Freizeitpark
Viele, die glauben, Antworten auf Maskes Frage zu wissen, laufen, tanzen und demonstrieren am 18. Oktober um das umstrittene Areal. Rund 2.000 Menschen sind da, Harry vom Schiff Freibeuter auch. Er schiebt einen selbstgebauten Wagen, am Heck sind Getränkehalter befestigt. „Ich will doch nur arbeiten“, steht auf einem Schild, das aus seinem Wagen ragt. Um ihn herum tragen Menschen Schilder mit: „Schulen+Bäume statt Touristen+Zäune“, oder „Immobilienhaie ab ins Aquarium“.
Gemeinsam demonstrieren die Bucht-Liebhaber für einen Neuanlauf der Planungen. Sie wollen bezahlbaren Wohnraum, inhabergeführte Läden, den Erhalt von Kulturangeboten und vor allen Dingen eine Grundschule vor Ort. Sie zweifeln daran, dass im Aquarium wirklich Naturschutz betrieben wird und befürchten die Entstehung eines touristischen Freizeitparks.
„Die halbe Million Besucher im Jahr, die willst du da nicht haben. Für die wird das letzte Stückchen Natur weggefetzt und dann gucken sie dich schräg an“, sagt Luan in der Kajüte seines Bootes. Vor dem Fenster wächst das dichte Ufergrün bis ins Wasser. Ein paar Meter weiter bildet die Bucht eine idyllisch überwachsene Lagune. Damit das Bauprojekt nicht abrutscht, soll hier entlang von 150 Metern des noch naturnahen Ufers eine meterhohe Kaimauer in die Erde getrieben werden. Die Fische, die dort schwimmen, wird man aus dieser Höhe kaum mehr sehen können. Haie sind nicht darunter. Aber Rapfen. Bis zu einen Meter lange und neun Kilogramm schwere Raubfische, die von unten durch Schwärme junger Fische schießen und durch die Wasseroberfläche, auf die sie dann zurückklatschen. Die Rummelsburger Bucht ist unter Anglern deutschlandweit bekannt für die robuste Rapfen-Population.
Das letzte Stück naturnahes Ufer soll laut Planung das um die „Freibeuter“ sein. Der Bezirk will das Boot verkaufen oder verschrotten lassen. Das Problem: Es ist an Stahlpfählen festgeschweißt, die in den Buchtgrund getrieben wurden. Niemand weiß, ob es schwimmt.
Durch alten Industrieabfall ist der Seegrund so stark verschmutzt, dass von einem längeren Aufenthalt am und erst recht im Wasser abgeraten wird. 118 Milligramm Schwermetalle pro getrocknetem Kilo Seeboden liegen hier, so eine 2017 erschienene FU-Studie, dazu viele Schadstoffe auf Kohlenstoffbasis.
Die Pfähle auszureißen, an denen die „Freibeuter“ festgemacht ist, würde die Umwelt massiv belasten. Die schwarze Schlacke würde vom Grund aufwirbeln und das Wasser und die Luft so vergiften, dass sich dort lange niemand mehr aufhalten sollte. Gleiches gilt – wohl vermehrt – für den Bau der Kaimauer vorm Aquarium. Dazu ist unter Umständen das Grundwasser in Gefahr. Es beginnt hier in ungefähr 2,5 Metern Tiefe. Der Komplex um das Aquarium soll auf Pfählen ruhen, die bis zu 30 Meter durch den unabsehbar tief vergifteten Boden getrieben werden. Die Schadstoffkonzentrationen seien „beträchtlich“, so die Aquariums-Macher. Laut Umwelt-Senatsverwaltung könne eine Gefährdung des Grundwassers ausgeschlossen werden, wenn „die lokalen geologischen und hydrogeologischen Gegebenheiten berücksichtigt werden.“
Gefährliche Altlasten
Der Boden der Bucht vor dem Baugrund wird im Moment relativ wenig aufgewühlt. Organisches Material setzt sich auf dem Gift ab. Vom Verzehr der zahlreichen Fische, die hier leben, wird vom Fischereiamt zumindest nicht abgeraten. Rund 50 Meter südlich der „Freibeuter“ laufen auf drei Testfeldern Versuche, den Giftschlamm abzudecken, mit einer Filterdecke, gefüllt mit Blähton. Den gesamten Seegrund damit auszulegen, würde mehrere Milliarden Euro kosten. Die Rummelsburger Bucht gehört zur Hälfte Lichtenberg, zur anderen Friedrichshain-Kreuzberg, sie liegt im Land Berlin und ist zudem eine Bundeswasserstraße, also Bundesangelegenheit. Keine der Parteien ist bereit, die Sanierung zu zahlen.
Am Bug der besetzten „Freibeuter“ ist ein riesiges, hölzernes Floß festgemacht, das an ein Piratenschiff erinnert. Es nennt sich „Anarche“ und wird von einem Kollektiv betrieben. Es gibt noch weitere Kollektiv-Flöße auf der Bucht. Sie organisieren sich im Verband Spree:publik, der die Besetzer der „Freibeuter“ unterstützt. Gustav, aktiv bei Spree:publik, sagt: „In den letzten zehn Jahren hat sich hier eine starke Gemeinschaft entwickelt. Es gibt eine schwimmende Wagenburg, diverse Hausboote und Flöße die als mobile Freiräume einen Ort für verdrängte Kultur schaffen.“
Drei Tage vor der Demonstration, 15. Oktober, 13 Uhr. Das Bezirksamt ist gekommen, um die „Freibeuter“ zurückzuerobern, zu viert. Den Schlüssel zum Tor, das die Landwelt von den Stegen der „Freibeuter“ trennt, hat der bisherige Besitzer, Anführer einer Genossenschaft in Gründung. Weil er dem Bezirk den Kaufpreis von 225.000 Euro nicht bezahlen kann, trifft er dessen Vertreter vor dem Tor, gibt die Schlüssel ab und geht. Harry bleibt. Hinter dem Zaun. Die Zauntür haben die Besetzer mit einem Fahrradschloss gesichert, die Bezirksvertreter erreichen das Schiff nicht.
Seitdem bemühen sich die Kollektive „Staub zu Glitzer“, das 2017 auch die Volksbühne besetzt hatte, „KulturKombüse“ und „Berlin meets Wroclove“ um den Erhalt des Schiffs. Die Kollektive befinden sich in einer relativ komfortablen Situation. Harry hat mit den Altbesitzern einen Mietvertrag geschlossen, mit angeblich drei Monaten Kündigungsfrist. Ob der Vertrag weiter gültig ist, muss vor Gericht geklärt werden. So lange sind die Kollektive einfach alle bei Harry zu Gast.
18. Oktober, 16.30 Uhr. Die Demonstration gegen den Bebauungsplan endet vor der Max-Taut-Schule. In deren Aula tagt die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg, die über den Plan entscheidet. Die Kämpfer gegen das Bauprojekt haben zwei LKW mit Musikanlagen mitgebracht. Hunderte tanzen zu aggressiver, schneller Musik. Ein Polizeikordon schirmt das Gebäude ab. Lehnt die BVV den Bebauungsplan ab, würde es zu einer Rückabwicklung der Kaufverträge kommen, die Investoren könnten Schadensersatz fordern. Den Bezirkspolitikern sitzt der Senat im Nacken, der Projekte aus der Zuständigkeit der Bezirke entreißen kann.
Ein Konzept solide wie Stahl
Kurz vor dem Regierungswechsel 2016 hatte die alte, rot-schwarze Berliner Regierung den Verkauf des Areals beschlossen. Die Verträge mit den Investoren sind unterschrieben und nur für Senatsmitglieder einsehbar. In der BVV Lichtenberg sind Grüne und AfD gegen den Bebauungsplan, CDU und SPD dafür. Die Linke, die hier stärkste Partei, ist gespalten. Bezirksbürgermeister Michael Grunst sieht die Vorteile: Mit dem Kauf verpflichten sich die Investoren, die verseuchte Erde auszutauschen und die Pflege des teils öffentlichen Parks für die nächsten 20 Jahre zu übernehmen.
Vor der Tür tanzt der Mob, Techno dringt durch die Wände der Aula. Die Bezirkspolitiker sind so viel Interesse an ihrer Sitzung nicht gewohnt. Mehrmals werden sie zu Beginn der Sitzung dazu aufgefordert, sich hinzusetzen. Als es nach zehn Minuten um den Bebauungsplan Ostkreuz geht, wird nichts entschieden. Der Punkt wird vertagt, bis geklärt ist, wo die im Bezirk dringend benötigten Schul- und Kitaplätze entstehen können.
Seit 16 Jahren feilen Lichtenberger Bürger und BVV- Abgeordnete am Bebauungsplan Ostkreuz. Anna Maske, die Architektin des Aquariums, sagt: „Alle wurden gehört. Die Tiere wurden gehört, die Pflanzen wurden gehört . Und jetzt kommt die junge Generation und sagt ,nö‘. Aber sie muss auch ihre Vorgeneration verstehen. Will man ihr vorwerfen, sie habe alles falsch gemacht?“
Irgendwann wird Lichtenberg entscheiden müssen. Dieses Jahr wird es nicht mehr passieren, so Bezirksbürgermeister Grunst. Ähnlich sieht es am gegenüberliegenden Ufer der Rummelsburger Bucht aus. Am 14. November haben die Aktivisten von der Freibeuter ihr Projekt im Haushaltsausschuss von Friedrichshain-Kreuzberg vorgestellt: Sie wollen auf dem Schiff, wie im Nutzungsvertrag mit dem Bezirk bis 2028 vorgesehen, Jugendarbeit machen. Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt (Grüne) sagt: „Ich habe Sympathien für die Idee, das Schiff weiter zu betreiben, aber es braucht ein solides Konzept.“
Harrys Konzept mit der steinernen und stählernen Möbel-Kunst ist sehr solide, aber der Bezirk wird vermutlich Papier bevorzugen. Die Zukunft der Bucht wird mit Stapeln davon entschieden. Bei Bezirken, Land und Bund. Fern von Rapfen und Haien. Aber bis es so weit ist, kann jeder mittwochs auf die „Freibeuter“ kommen, um in der Kulturkombüse bei Kerzenschein und Musik gegen Spende vegan zu essen und Bier zu trinken. Harry wuselt wahrscheinlich auch irgendwo auf dem Schiff herum, wenn er nicht mit seiner Hündin Nerra auf dem großen Küchensofa sitzt und sie streichelt.
Sehr geehrte Frau Bezirksstadträtin Herrmann, sehr geehrter Herr Bezirksstadtrat Schmidt, sehr geehrter Herr Butzke, sehr geehrte Damen und Herren,
bezugnehmend auf das am 15. November 2018 vorgestellte überarbeitete Entwicklungskonzept Rummelsburger Bucht möchten wir hiermit eine Stellungnahme der Spree:publik, der Interessensvertretung der nichtkommerziellen Sport- und Freizeitboote Berlins, abgeben.
Das vorgestellte Entwicklungskonzept für die Friedrichshain-Kreuzberger Seite der Rummelsburger Bucht, ist vornehmlich ein Umweltentwicklungskonzept. Aus Überzeugung achten die Spree:publik und ihre Mitglieder auf Schutz und Erhalt von Umwelt und Natur. Entsprechend unterstützen wir Naturschutz- und Naturerfahrungsräume in der Rummelsburger Bucht. Leider berücksichtigt das Entwicklungskonzept aber weder umfassende Stadtentwicklungsaspekte noch die Entwicklung von Kultur- und Freiräumen. Wir stellen deshalb in Frage, dass in Anbetracht der aktuellen Entwicklung rund um die Rummelsburger Bucht und dem hohen Nutzungsdruck auf eine der letzten innerstädtischen Freiflächen, das Naturentwicklungskonzept in der jetzigen Form ausreichend ist. Wir fordern einen ganzheitlichen Ansatzes, der die verschiedenen Interessen, Bedürfnisse und damit auch Bezirksverwaltungen und Interessensvertreter (Bürgerinitiativen, Atelierbeauftragte, Kunst- und Gewerbetreibende, Naturschutzorganisationen, Kulturinitiativen etc.) mit einbezieht.
Zum Beteiligungsverfahren: Aus unserer Perspektive ist durch wenige, aber sehr laute Stellungnahmen von Anwohnern der Halbinsel Stralau während des seit 2017 laufenden Beteiligungsverfahrens massiv Stimmung gegen ankernde Boote, die an der Stralauer Spundwand etablierten Kulturflöße und Hausboote sowie die bunten Aktivitäten auf dem Wasser gemacht worden. Dabei werden einige Partikularinteressen von Anwohnern der Halbinsel Stralau gegen die vielfältigen Interessen der Bürger Berlins und der Nutzer der Wasserfläche als innerstädtisches Naherholungsgebiet, als Kulturraum und Ort des selbstbestimmten Lebens, ausgespielt. Die verschiedenen berechtigten Interessen stehen dabei jedoch nicht im Widerspruch zueinander und sind keinesfalls unvereinbar.
Zum einen fühlt sich ein Großteil der Bewohner Stralaus, der im Beteiligungsverfahren leider die schweigende Mehrheit ist, durch die ankernden und stillliegenden Boote und Kulturflöße nicht gestört bzw. sehen sie hierdurch die Naturerfahrbarkeit vor Ort nicht beeinträchtigt. Ein eindeutiges Indiz hierfür ist die sehr geringe Beteiligung an der Petition der IG Eigentümer Rummelsburger Bucht, die mit nicht einmal 200 Unterzeichnern das Quorum eindeutig nicht erreicht hat und sicher keine repräsentative Mehrheit für Stralau darstellt. Zum anderen ist ein Großteil der Wasseraktiven und Kulturinitiativen äußerst verantwortungsbewusst im Umgang mit Mensch und Natur. Naturschutz hat für uns oberste Priorität; wir haben ein genuines Interesse daran, die Artenvielfalt und den Naturraum zu bewahren, da auch wir hiervon profitieren. Den Booten wird etwa immer wieder vorgeworfen, angeblich Müll und Exkremente in das Wasser zu entsorgen. Die Ironie dabei ist, dass die städtische Kanalisation, also die Exkremente der regulären Landbewohner, bei Starkregen in die Berliner Kanäle und Gewässer überläuft, während die Spree:publik-Boote in der Rummelsburger Bucht Komposttoiletten und Fäkalientanks haben, deren Inhalt regelmäßig abgeholt wird. Fast alle Boote sind Energieautark und gewinnen ihren Strom über Solar- und Windkraftanlagen. Viele Boote sind mit Wasseraufbereitungsanlagen ausgestattet, filtern Schwermetalle und chemische Giftstoffe und tragen so tatsächlich zur Verbesserung der angespannten Wasserqualität der Bucht bei. Die Mitglieder der Spree:publik halten sich an die “10 goldenen Regeln für das Verhalten von Wassersportlern in der Natur”, wie sie in jeder Spoortbootführerscheinprüfung abgefragt werden.
Beispiele wie Amsterdam, London oder Kopenhagen zeigen, wie selbstbestimmtes Leben auf dem Wasser zur touristischen Marke beitragen kann. So hat auch Visit.Berlin, die Tourismus-Agentur der Stadt, Bootsbauten in der Bucht mitfinanziert. Aktuell wirbt die Stadt mit der “#Freiheit Berlin”-Kampagne unter anderem mit einem Motiv von Freigeistern auf der Spree.
Zum Glück steigt das Interesse der Berliner Bevölkerung für ihr Wasser ungebremst. Noch nie gab es so viele Initiativen, Vereine und Hausbootbesitzer, die auf und am Wasser aktiv sind. Auf “Panther Ray” und “Rockfish” finden Konzerte statt, die “Wackelberry” zeigt Kinofilme, auf der “Eroberung des Unwahrscheinlichen” werden unter anderem in Kooperation mit dem Goethe-Institut Workshops veranstaltet, das “Fotoboot” bietet Foto-Exkursionen, es wird an einer schwimmenden Gemeinschaftssauna gebaut und es gibt Theatervorstellungen, um nur wenige Beispiele zu nennen. Das Ganze ehrenamtlich – für den guten Zweck. Das hier viel Los ist, merkt auch die Politik: Frau Herrmann, Ihre eigene Partei beschäftigt sich wie Sie wissen spätestens seit letztem Jahr mit der Frage danach, wie selbstbestimmtes Leben in der Stadt gefördert werden kann. Dazu besuchte ihr Landesvorsitzender Werner Graf die Spree:publik. Was aktuell droht ist die Zerstörung von genau dem, für das sie einstehen: selbst bestimmtem Leben!
Ein Anker- und Stillliegeverbot aufgrund einiger weniger, unverantwortungsvoller Bootsbesitzer in der Bucht würde einer Kollektivbestrafung aller Bootsbesitzer gleichkommen, das nur schwierig mit Bundesrecht (Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung) vereinbar ist. Damit würde gleichzeitig einem gewachsenen Standort für Naturschutz- und Kulturprojekte die Existenzgrundlage entzogen. Dies kann weder im Interesse des Bezirkes, der Stadt Berlin, noch des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA) sein.
Dass der Nutzungsdruck auf die Rummelsburger Bucht hoch ist, ist uns bewusst. Wir bitten Sie jedoch, in einen offenen Dialog mit uns zu treten, bevor Tatsachen geschaffen werden, die nicht dem Gemeininteresse dienen. Wir stehen Ihnen gerne beratend zur Seite um Lösungen und Visionen zu erarbeiten, die im Interesse aller sind und eine geregelte Nutzung der Rummelsburger Bucht ermöglichen.
Gerade in enger und dichter werdenden Städten wie Berlin sind die Gewässer als Freiraum für Kultur und Freizeitnutzung zentral und wichtig. Am Ende des Tages hoffentlich wichtiger, als die Sicht aus dem Fenster eines immobiliaren Spekulationsobjekts.