Zukünftig soll das unbemannte Stillliegen von Sport- und Freizeitbooten (“Kleinfahrzeugen”) auf den Berliner und Brandenburger Gewässern grundsätzlich verboten sein. Das wäre so, als würde man landesweit eine Parkverbotszone für PKW außerhalb von Parkhäusern einrichten. Verkehrsminister Andreas Scheuer widerspricht damit seinem eigenen, gerade erst vorgestellten “Masterplan Freizeitschifffahrt”. Die Spree:publik, der Zusammenschluss der Kunst- und Kulturboote und der unkommerziellen Freizeitschifffahrt Berlins, fordert: “Wasser ist für alle da!” Die Wasserstraßen der Region Berlin Brandenburg erfreuen sich bei Wassersportler:innen großer Beliebtheit. Jedes Jahr tragen mehr als 100.000 Bootstouristen und zahlreiche Bootseigner*innen zu wirtschaftlichen Umsätzen im dreistelligen Millionenbereich bei. In Berlin sind weit über 100 Wassersportvereine im Breiten- und Wettkampfsport aktiv. Seit Jahren ist in der Stadt zudem eine reichhaltige Kunst- und Kulturfloßszene etabliert, die sich in der Spree:publik zusammengeschlossen hat und deren Boote bereits Teil der DOKUMENTA waren, mit dem Goethe Institut nach Amsterdam fuhren und Theater in abgelegene Dörfer Brandenburgs brachten. Dies alles wird bald Geschichte sein, wenn es nach dem Willen des Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und Innensenator Andreas Geisel geht!
Durch eine geplante Änderung der Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung, die aktuell im Rechtsetzungsverfahren ist, wäre diese vielseitige und freie Nutzung der Wasserflächen in Berlin und Brandenburg bedroht. Konkret sollen § 21.24 Absatz 6 und §22.24 Absatz 6 der BinSchStrO durch Streichung der jeweiligen Sätze 2 und 3 so geändert werden, dass das unbemannte Stillliegen auf der Spree-Oder-Wasserstraße, der unteren Havel, dem Havelkanal, der Havel-Oder-Wasserstraße, der Müggelspree, der Dahme und den Rüdersdorfer Gewässern nur noch an sehr wenigen, genehmigten Liegestellen erlaubt ist. Bisher ist es hingegen möglich, ein Boot (“Kleinfahrzeug”) für bis zu einen Tag unbewacht zu ankern oder am Ufer auch außerhalb von festen Liegestellen festzumachen. Diese Möglichkeit wird vielfach von zahlreichen Wassersportler*innen sowie im Wassertourismus genutzt. Gleichzeitig gewährleistet sie eine demokratische, kulturelle und umweltpädagogische Nutzung der Wasserflächen durch eine Vielzahl von Akteuren. Im Regattasport ist es außerdem üblich am Vortag von Wettkämpfen die teilnehmenden Boote an der Rennstrecke zu ankern. “Doch wer sein Boot verlässt, bewegt sich künftig in der Illegalität.” sagt Claudius Schulze, Sprecher der Spree:publik.
Es gibt bundesweit außer auf den Berliner und Brandenburger Gewässern nur auf der Saar und dem Main-Donau-Kanal ähnliche Einschränkungen für das Stillliegen. Warum ausgerechnet die Wassertourismusregion Berlin-Brandenburg nun dazugehören soll, ist unverständlich. Schon jetzt gibt es nicht genügend öffentliche Liegestellen, um zum Beispiel in den Sommermonaten den Bootstouristen ausreichend Anlaufstellen zu bieten. Hafenplätze sind knapp und teuer und dem Ausbau stehen langwierige Genehmigungsprozesse und fehlende finanzielle Unterstützung entgegen. Auch der von Minister Scheuer kürzlich vorgestellte “Masterplan Freizeitschifffahrt” beschreibt die weitreichenden Defizite bei Anlege- und Liegestellen (Masterplan Freizeitschifffahrt, 2021, S. 24f).
Das Bundesverkehrsministerium begründet das Verbot mit dem Verweis auf ein Vollzugsproblem der Wasserschutzpolizei. Dabei wurde die Polizei in Berlin gerade erst mit neuen Booten und rechtlichen Kompetenzen ausgestattet: Der neue Paragraf 37a des Berliner Polizeigesetzes und der alte § 1.08 BinSchStrO bieten ausreichend Handhabe, um Boote, deren Eigner*innen sich nicht an die Sicherheitsbestimmungen auf Wasserstraßen halten, abzuschleppen – eine Möglichkeit von der die Wasserschutzpolizei bislang jedoch nicht Gebrauch machte. “Regattasport, Wassertourismus und Kulturboote werden zu Kollateralschäden eines übereifrigen Law&Order-Populismus von Geisel und Scheuer gegen einzelne Boote und Bootseigner*innen, die wenig verkehrssichere Boote auf Wasserstraßen zurückließen oder dauerhaft unbewacht parkten. Doch anstelle diese Boote abzuschleppen, sollen nun alle Freizeitschiffer*innen bestraft werden!” sagt Claudius Schulze.
Dabei gäbe es gute Lösungen, um die Ordnung auf der innerstädtischen Spree zu sichern und gleichzeitig die Freiheiten der Wassernutzenden nicht über Gebühr einzuschränken. So könnten Boote, die im Stadtbereich ankern oder stillliegen wollen, eine Registriernummer oder Plakette erhalten. Die Stadt Berlin könnte, ähnlich wie Heidelberg (§ 10.10 Abs. 6 BinSchStrO), das Recht erhalten, Genehmigungen zum Stillliegen zu erteilen. Oder Verbände könnten entsprechende Liegeplätze einrichten und betreuen – in jedem Fall geknüpft an weitergehende Vorgaben zur guten Seemannschaft und Bootsführerschaft. Dass die geplanten Einschränkungen bzgl. des Stillliegens mit so weitreichenden Konsequenzen für Wasserwettkampfsport, Bootstourismus und Kulturboote mit der Schaffung ausreichender genehmigter Liegestellen einhergehen muss, ist jedenfalls unerlässlich.
Der Masterplan Freizeitschifffahrt sieht außerdem “eine frühzeitige und umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit und Interessenvertretungen” vor (S. 47ff). Die Spree:publik fordert daher einen konstruktiven Dialog über die Zukunft der Berliner und Brandenburger Gewässer. Sprecher Claudius Schulze: “Nur im Austausch mit den Stakeholdern vor Ort können wirklich nachhaltige Lösungsansätze gefunden werden. Das Berliner Wassergesetz sagt: ‘Gewässer darf jeder zur Schiff- und Floßfahrt benutzen’ (§ 28 BWG). Das muss auch so bleiben. Denn was kommt sonst als nächstes? Werden die Kanus und Schlauchboote auf dem Landwehrkanal verboten?”
Über uns:
Die Spree:publik ist der Zusammenschluss der Berliner Kunst- und Kulturflößer*innen und der unkommerziellen Freizeitschifffahrt. Wir veranstalten Konzerte, betreiben schwimmende Ateliers, Kunst- und Integrationsprojekte, Kulturräume – und vieles mehr, was das Leben in einer bunten und weltoffenen Stadt auszeichnet. Spree:publik-Boote waren bereits Teil der DOKUMENTA, fuhren mit dem Goethe Institut nach Amsterdam und brachten Theater in abgelegene Dörfer Brandenburgs. Als Verband setzen wir uns für die partizipative Nutzung der Gewässer ein. Jedes Jahr holen wir zudem viele Tonnen Müll, Schrott und E-Scooter aus den Berliner Gewässern.
Die haben wohl völlig aus den Augen verloren, wer in diesem Land der Souverän ist. Bestimmt nicht die Behörden. Preussen, berühmt für diese, hat sich ja auch in seinem Übereifer effektiv selbst vernichtet. Der Souverän sind die Eigner der ankernden Sportboote. Die Spree ist als industrielle Schiffahrtsstraße insofern ich das für den Ostteil Berlins beurteilen kann ziemlich tot.
Das Hauptproblem an dem angedachten Vorgang liegt ganz genau in seiner tabula rasa Drastik: Um die für Landmenschen eventuell verständlicheste Parallele zu bemühen, kauft man sich ja einen PKW mit der Erwartung, dass die BRD/Dauergroko ihrer mittel- und langfristigen Planung (siehe Masterplan) und der Tendenz nach verfolgt. Ist das nicht der Fall, wie etwa wenn das Bootsgeschehen auf die Hafenliegeplätze reduziert wird, oder das Wasserwandern schlichtweg verunmöglicht wird. Die angedachten Einschränkungen stellen eine massive Einschränkung der Entfaltungsfreiheit der Bootseigner da und werden im Rechtsweg keinen Bestand haben. Ein befreundeter Jurist schätzte schon das blanko Anlegeverbot in der Rummelsbucht so ein. Ich denke, es wird auf einen für Schland urtypischen faulen Kompromiss hinauslaufen, wie etwa Ankern ab Köpenick ja oä. Tatsächlich erinnere ich mich an einen TAZ-Artikel, in dem der ADAC Deutschland die Umwandlung von ein paar Parkplätzen in Xberg in eine SItzbank und ein paar Fahrradständer als Anfang vom Ende des Parkprivilegs der Autobesitzer sah und entsprechend vorgegangen ist. Es könnte sich sogar lohnen, da den rechtlichen Ansatz auszugraben und zu replizieren, da es sich um einen ähnlichen wie den o.g. Anspruch seitens der bestehenden Bootseigner handeln dürfte. Falls die höheren Gerichte dann nicht schon wegcoronaisiert worden sind. LG vom