Boote in der Rummelsburger Bucht dürfen bleiben
von Paul Lufter
Und wo wir schon in der Rummelsburger Bucht sind, das Wasserstraßenamt (WSA) hat den Widerspruch des Senats gegen die Ablehnung des Ankerverbots auf dem Rummelsburger See abgelehnt. Die Kosten für das Verfahren trägt der Senat. Wie der Kollege Robert Klages im Sommer berichtet hatte, wollte die Senatsumweltverwaltung ein Anker- und Nachtfahrverbot durchsetzen und befand sich deswegen im Streit mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV). Die von Regine Günther (Grüne) geleitete Senatsverwaltung wollte nicht mehr, dass die Bucht als dauerhafter Wohnort genutzt wird.
Auf dem Rummelsburger See schwammen im Sommer rund 25 Boote. In einigen befinden sich Ateliers. Die Beschwerden von vielen Anwohner*innen richteten sich vor allem gegen das sogenannte „Lummerland“ – ein Zusammenschluss von Booten und Flößen, der sogar eine Sauna beherbergt. Sie vermuteten Drogenkonsum vor Ort, beschwerten sich über Lärm, Müll und Wasserverschmutzung durch Fäkalien. Handfeste Beweise dafür fehlten wohl.
Bereits Ende Februar hatte die Senatsverwaltung einen Antrag für ein Anker- und Nachtfahrverbot eingereicht. Diesen hatte das WSA im Mai abgelehnt. Die Senatsverwaltung hatte daraufhin im Juni Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid eingereicht. Diesen hat das WSA nun erneut abgelehnt. In dem Schreiben der zuständigen Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) heißt es, es gäbe keinen Anspruch auf das Begehren eines Nachtfahrverbotes vor Ort und „einen gebundenen Anspruch auf Ankerverbot, insbesondere durch die Aufstellung von Ankerverbotszeichen nach Maßgabe des Schifffahrtszeichens A 6 der Anlage 7 zur BinSchStrO hat die Widerspruchsführerin nicht.“
„Wir begrüßen, dass die GDWS und das WSA sich unseren Ansichten anschließen“, teilte der Förderkreises Spree:publik nach der Ablehnung mit. Der Förderkreis setzt sich dafür ein, dass „Wasserflächen auch als soziokulturelle Ressource wahrgenommen und als Freiraum für zivilgesellschaftliches Engagement verstanden werden.“ Bereits im August hatte Spree:publik in einer Stellungnahme festgehalten, dass die Voraussetzungen für die Einführung des geforderten Anlege- und Nachtfahrverbots nicht gegeben sind. Für die Boote und ihre Bewohner dürfte nun Zeit zum Durchatmen und zum Feiern sein. Fürs Erste ist der Fall damit erledigt.
Tagesspiegel: „Ihr runder Tisch ist nicht rund“ – Treffen im Abgeordnetenhaus mit Investoren, aber ohne Floßbewohner*innen
Robert Klages
Der Rummelsburger See ist nicht rund. Aber es gibt Runde Tische zum Thema, veranstaltet von der „Interessengemeinschaft Rummelsburger Bucht“ mit zehn Mitgliedern. Laut Eigenauskunft repräsentiert die IG „rund 342 Millionen Euro Grundstückserwerbs-, Planungs- und Investitionskosten“. Die Mitglieder sind überwiegend diejenigen, die an der Rummelsburger Bucht bauen wollen: Die Howoge zum Beispiel, Investa, Coral World. Sprecher der IG ist Ottfried Franke.
Ein Runder Tisch fand im November 2018 statt. Es wurde über Möglichkeiten und Kosten diskutiert, den See zu sanieren. Ein Vertreter der Wasserschutzpolizei (WSP) schilderte die Lage auf dem See. Aus dem Protokoll: „Die Beschwerdelage (bis zu 16 Anzeigen pro Nacht) und die Einsatzerfordernisse sind auf dem kleinen Rummelsburger See ähnlich hoch wie auf dem viel größeren Müggelsee. Die digitale Vernetzung der Nutzer auf dem See und ihr ‚Frühwarnsystem‘ vor der WSP sind ausgezeichnet organisiert. Boote dürfen 1 Tag lang in der Bucht still liegen. Mit jeder auch geringen Bewegung danach verlängert sich diese Frist. Eine Kontrolle solcher dauerhaften Ortsfestigkeit oder geringfügigen Bewegung ist der WSP nicht möglich (Beweislast). Dafür seien (fotografische) Nachweise und Anzeigen nötig. Auch Flüssiggasanlagen werden nicht prophylaktisch kontrolliert. Der WSP gelingt kaum oder gar nicht die Kontrolle der sog. ‚Schwimmseln‘, da die Nutzer dort sowohl die Kommunikation als auch das an-Bord-Gehen verweigern.“ Darüber hatten wir hier im Newsletter bereits berichtet. Canan Bayram, Grünen-Abgeordnete, empfiehlt, mehr finanzielle Mittel für die WSP im Haushalt 2020/21 bereitzustellen. „Eine Unterstützung des Vorschlags durch die jeweiligen Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus wäre wichtig.“
Die Teilnehmer*innen des Rundes Tisches verpflichten sich zur Verschwiegenheit, die Inhalte sind „vertraulich“. Der nächste Runde Tisch findet, erneut organisiert von der IG, am 19. November im Abgeordnetenhaus statt. Der CDU-Abgeordnete Danny Freymark ist Gastgeber. Von der IG nimmt beispielsweise Gabriele Thöne, Projektdirektorin Coral World, teil. Dazu Vertreter*innen der Senatsverwaltung für Umwelt, des Wasserstraßenamtes, der Wasserschutzpolizei, der Senatsverwaltung, der Bezirksämter … außerdem Cansel Kiziltepe, Abgeordnete der SPD, sowie Abgeordnete von Grünen und Linken. Es soll weiter über die Seesanierung gesprochen werden. Und der Frage nachgegangen werden: „Braucht Berlin ein Konzept für Wohnen auf dem Wasser?“ Pressevertreter*innen sind ausdrücklich nicht willkommen.
Außerdem auf der Tagesordnung: „Geordnete Zustände auf dem See, Aktivitäten-Check: Durchsetzen von Regeln, kapazitive Ausstattung der Polizei dafür und Zusammenarbeit mit Ordnungs-, Umwelt- und Naturschutzämtern.“ Eigentlich sollte der Runde Tisch unter der Einladung der Abgeordneten Canan Bayram erfolgen. Doch die Grünen-Politikerin hat wieder abgesagt. Denn sie findet es nicht gut, dass niemand aus den Hausbooten oder von „Spree:publik“ zu den Runden Tischen eingeladen wird. Die Spree:publik versteht sich als Förderkreis von Initiativen, Kollektiven, Vereinen und anderen Aktiven, die sich für die Demokratisierung der Wasser- und angrenzenden Uferflächen Berlins einsetzen.
„Der Dialog um die Zukunft sollte mit allen Betroffenen in der Rummelsburger Bucht erfolgen, d.h. nicht nur mit Behörden und Eigentümern“, sagt Bayram auf Nachfrage. „Daher halte ich es für wichtig, den Charakter der Diskussionsrunde zu klären, bevor ich daran teilnehme. Die Bucht darf kein Ort für Privilegierte und Kommerz werden, vielmehr müssen die Umweltbelange berücksichtigt und alle Menschen bei Planungen einbezogen werden.“
Auch Clara Herrmann, Bezirksstadträtin für Umwelt in Xhain, schlug IG-Sprecher Franke vor, einen Vertreter von Spree:publik einzuladen. In einer internen Mail lehnte Franke ab. Begründung: „Wir möchten das Veranstaltungsformat gegenüber dem Vorjahr nicht verändern und bitten Sie, diesen Verteiler zu respektieren.“ Weiter: „Selbstverständlich werden wir uns keinem Dialog verschließen.“ Franke bietet Gespräche mit Spree:publik an. Auch eine Teilnahme an einem Runden Tisch könne er sich vorstellen – wenn das Bezirksamt Xhain diesen organisieren würde beispielsweise. Herrmann setzt Claudius Schulze, Sprecher von Spree:publik in cc. Den kennen wir schon, er hat auch ein Atelier-Boot in der Bucht.
„Ihr runder Tisch ist nicht rund“, schreibt Schulze in dem E-Mail-Verteiler an Franke gerichtet. „Es drängt sich daher stark der Verdacht auf, dass es sich bei dem von Ihnen initiierten Runden Tisch einzig um eine Lobbyveranstaltung der Investoren des B-Plans Ostkreuz handelt, bei dem es nicht um die konstruktive Lösung bestehender Probleme geht, sondern Stimmung gegen andere Akteure und Nutzer*innen vor Ort gemacht werden soll. Statt Vertreter der Kulturflöße mit einzubeziehen, soll lieber über ‚Müllflöße‘ hergezogen werden.“
Diese Einflussnahme in Hinterzimmern findet Schulze skandalös. „Der Runde Tisch soll vermutlich nur den Interessen Ihrer Auftraggeber Padovicz et.al. dienen. Wir hoffen, dass sich Politiker (als Gastgeber wie Teilnehmer) und Behördenmitarbeiter als Vertreter der Öffentlichkeit von Ihnen nicht für solch ein Unterfangen vor den Karren spannen lassen.“ Franke antwortet, er und Schulze würden sich Donnerstag treffen, um „sich mal in die Köpfe zu gucken“. Die Runden Tische nennt Franke nun nur noch „Fachworkshops“, von denen keinerlei Entscheidungen ausgingen. „Sie bereichern aber Willensbildung und Entscheidungsfindungen. Das ist der Sinn.“
Buchtreinigung Vol. 2
Am Sonntag den 20.10.2019 konnten wir mal wieder so richtig die Müllsäcke füllen.
Mit über 30 Helfer*Innen haben wir innerhalb wenigen Stunden 10 m3 Müll aus dem Wasser und an beiden Ufern der Rummelsburger Bucht gesammelt. Durch die wunderbare Hilfe des NABUs, konnten wir mit Expert*Innen in die Schilf-Region gehen und auch dort ordentlich sauber machen ohne die Tiere in diesem empfindlichen Uferbereich zu stören. Straßenmüll und große Mengen Treibgut wurde in einem angemieteten Container entsorgt.
Hierfür möchten wir IKARUS Stadtteilzentrum herzlichst für die Finanzierung des Containers danken, ohne den die Aktion nicht möglich gewesen wäre. Auch ohne die Müllsäcke, Handschuhe und Müllzangen von Kehrenbürger.de der BSR könnten wir diese Aktionen nicht durchführen!
Zudem Danken wir allen helfenden Held*Innen für eure Muskelkraft und die gute Stimmung beim Sammeln.
Wir freuen uns auf weitere Zusammenarbeit mit den Nachbar*Innen, dem IkARUS, dem NABU und weiteren Wasser-interessierten.
MÜLL AHOI
eure SPREE:PUBLIK
Aufruf: Herbstreinigung
Liebe Freunde der Rummelsburger Bucht,
in den letzten Wochen und Monaten ist es wüst zugegangen in der Bucht. Wasser, Ufer und Menschen haben gelitten. Wie schon in unserem Frühjahrsputz im April wollen wir Wasser und Ufer von den angeschwemmten Fremdkörpern befreien.
Gemeinsam mit Anwohnern und Bezirk laden wir, die Spree:publik, der Zusammenschluss der nichtkommerziellen Kulturflöße, Freizeit- und Hausboote Berlins, zum Ende der Saison daher zu einer gemeinsamen herbstlichen Reinigungsaktion der Rummelsburger Bucht ein.
Da die Brutaktivitäten der Wasservögel nun vorüber ist, können mit Unterstützung des NABU auch die Röhrichtbereiche gereinigt werden.
Wann: Sonntag 20.10 ab 14 Uhr
Treffpunkt: 22h Bootsanleger Nähe Charlotte-Salomon-Hain auf der Lichtenberger Seite, https://goo.gl/maps/8VuhB2botTvKmtCn6
Einige Zangen, Müllbeutel, Handschuhe und Kescher werden vorhanden sein – können zur Verstärkung jedoch gerne mitgebracht werden.
Kommt zahlreich und helft mit dafür zu sorgen, dass die Bucht noch mehr wird was sie schon ist: Ein kultureller Freiraum in Einklang mit der Natur!
Viele Grüße
Die Spree:publik
Für Rückfragen:
Email: kontakt@spreepublik.org
Spree:publik-Team gewinnt Drachenbootrennen beim Wasserfest auf der Rummelsburger Bucht
Am 24.08.2019 fand das Wasserfest veranstaltet vom IkARUS Stadtteilzentrum (http://www.sozdia.de) statt. Beim legendären Drachenbootrennen ging dieses Jahr zum ersten Mal auch die Spree:publik mit ins Rennen und holte auch für uns überraschend den ersten Platz. Zusammen mit dem Stand auf dem Wasserfest konnten wir so die Sichtbarkeit der Kulturflöße auf der Bucht erhöhen und mit anderen Initiativen und Nachbarn ins Gespräch kommen.
Anlegeverbote in der Rummelsburger Bucht
Im Februar 2019 wurde seitens des WSA Berlin auf Antrag der Bezirke Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg ein Festmachverbot für große Uferbereiche am Rummelsburger See erteilt.
Dieses Festmachverbot gilt im Wesentlichen auf der kompletten Lichtenberger Seite der Bucht, sowie auf der Friedrichshainer Seite von der westlichen Spitze der Bucht bis zum Palmkernölspeicher.
Pressemitteilung des BA Friedrichshain-Kreuzberg vom 10.07.2019
Ürsprünglich war auch ein Ankerverbot für den kompletten See beantragt worden. Dieses konnten wir jedoch mit juristischem Beistand konnten und Lobbyarbeit bei bei GDWS und dem WSA verhindern.
Wasserkonzert vor der Insel Kratzbruch
Samstag, 13.07.2019
Liebe Nachbarn der Rummelsburger Bucht,
die Spree:publik, der Zusammenschluss der nichtkommerziellen Kulturflöße und -Boote Berlins, lädt am 13.07.2019 zu einem Wasserkonzert vor den Toren der Rummelsburger Bucht ein. Interessierte können sich unter kontakt@spreepublik.org um eine der begrenzten Plätze auf den Flößen bewerben. Menschen mit eigenem Schwimmuntersatz sind in jedem Fall herzlich willkommen!
Viele Grüße
Die Spree:publik
Tagesspiegel: Streit ums Ankerverbot – Berlins Senat geht gegen Hausboote auf dem Rummelsburger See vor
Die Rummelsburger Bucht ist beliebt bei Hausbootbesitzern, nicht allen Anwohnern passt das. Der Senat will ankern verbieten, darf das aber nicht entscheiden. Robert Klages
Wellen schwappen an das Atelierboot von Claudius Schulze und bringen die Discokugel zum Schwingen. Die Sonnenstrahlen tanzen über den Vorderbau mit Holzbank und ins Innere des Bootes, auf den großen Arbeitstisch und über die Sofaecke. Mit einem kleineren Boot ist der Fotograf vom Ufer der Rummelsburger See herübergekommen, mitten aufs Wasser. Seit einem Jahr liegt sein schwimmendes Atelier dort – um ihn ankern rund 25 weitere Boote. Doch die Senatsumweltverwaltung möchte ein Anker- und Nachtfahrverbot durchsetzen und befindet sich deswegen in einem Streit mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV).
Wenn es nach der von Regine Günther (neuerdings Grüne, vormals parteilos) geleiteten Senatsverwaltung geht, soll die Bucht nicht mehr als dauerhafter Wohnort genutzt werden. Von einem Ankerverbot ausgenommen sein sollen lediglich die Arbeitsfahrzeuge, die für die Sanierungsarbeiten am Westufer benötigt werden. Für Wohnschiffe und andere schwimmende Plattformen müsste eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden. Zuwiderhandlungen sollen mit Ordnungsgeld bestraft werden.
Die Sedimente, also der Boden des Sees, sind nach wie vor stark mit Schwermetallen und anderen Schadstoffen belastet – das wurde Anfang 2017 bekannt. Zur Sanierung des Westufers sollen ein Teil der Wasserfläche (das Westufer plus 40 Meter davor) ohnehin für eine gewisse Zeit gesperrt werden. Zuletzt hatte der Senat getestet, wie die Sedimente aus dem Seegrund am besten herausgehoben werden können. Dabei hatte sich gezeigt, dass „erhebliche Mengen an organischen Schadstoffen“ auch ohne Bautätigkeiten am Seegrund entweichen würden. Der dauerhafte Aufenthalt in der Nähe des Westufers wird darum als bedenklich angesehen. Für die Sanierungsarbeiten sollen Palisaden auf dem Wasser errichtet und Schilf angepflanzt werden – um zu verhindern, dass Boote hindurchfahren.
Ein Ankerverbot über die Sanierungsarbeiten hinaus würde das Zusammenleben auf dem See wohl zerstören, meint Claudius Schulze. Nach Amsterdam und Paris ist Berlin die dritte Station für ihn und Blackie, seine schwarze, einohrige Katze. Wenn Schulze abends zurückgeht in seine Friedrichshainer Wohnung, bleibt sie auf dem Atelierboot. Dieses wurde 2016 im Hamburger Hafenmuseum gebaut, dann zog Schulze damit zwei Jahre lang durch Europas Wasserstraßen. In Amsterdam mussten sie überwintern, in Paris kostete der Anlegeplatz nahe dem Louvre 2000 Euro pro Tag.
Hausboote als „Berlin-Gefühl“
Der Bau des Bootes und das Projekt wurden vom Bundesaußenministerium gefördert: Ziel war es, das Verhältnis zwischen Natur und Urbanität künstlerisch zu erschließen. Auch „Visit Berlin“ half bei der Materialfinanzierung mit 25.000 Euro, erst letztes Jahr schloss Berlins Tourismusagentur eine Kooperationsvereinbarung mit den Bezirken und der Senatsverwaltung für Wirtschaft ab. Schulze findet das verlogen: „Die Rummelsburger Bucht und ihre Hausboote sind Teil dieses Berlin-Gefühls, mit dem Touristen angelockt werden“, erzählt er, während er die Katze füttert. „Und genau dieses Berlin-Gefühl will die Stadt nun hier durch das Ankerverbot verbieten.“
Während er das sagt fahren zwei Touristinnen in einem Tretboot um sein Atelier und grüßen freundlich. Das passiere mehrmals täglich, sagt Schulze. Oft würden die Touristen fragen, ob sie Fotos machen dürfen. Der 35-Jährige promoviert gerade an einer Universität in London. Für seine Fotoarbeiten reist er durch Europa, wenn er nicht gerade in seinem Atelier auf dem Rummelsburger See ist. Seine Arbeit beschäftigt sich mit Natur, Technologie, dem Klimawandel und sucht Orte, die dies aussagekräftig zeigen. Er arbeitete auch als freier Fotograf, etwa für den „Spiegel“, „Stern“ und die „Geo“. Er präsentiert einen großen Bildband: „State of Nature“ dokumentiert das Ausmaß von Klima- und Naturkatastrophenschutzmaßnahmen in der europäischen Landschaft. Nach dem Abitur in München studierte Schulze Politik- und Islamwissenschaft in Hamburg und anschließend bis 2010 in Istanbul Konfliktstudien.
Kultur auf dem Wasser
Nun würde er gerne länger in Berlin und auf der Rummelsburger Bucht bleiben. Schulze ist Teil von „Spree:publik“, ein Zusammenschluss von nicht-profitorientierten Kulturflößen, die sich dafür einsetzen, dass „Wasserflächen auch als soziokulturelle Ressource wahrgenommen und als Freiraum für zivilgesellschaftliches Engagement verstanden werden“. Sie wollen einen „Kulturhafen“ in Berlin schaffen, also Kunst auf dem Wasser, Theater, Kino, Workshops und vieles mehr auf Hausbooten – am liebsten auf dem Rummelsburger See. Dort gibt es bereits das Bühnenfloß „Panther Ray“ und die „Wackelberry“, auf der Filme gezeigt werden. Oder die „Nuria“, noch eine schwimmende Kulturplattform.
Dies sind nur drei Beispiele, die von einem Ankerverbot allerdings nicht betroffen wären, da sie an der genehmigten Fischerspundwand auf der Friedrichshainer Seite des Sees liegen. Auch ein bereits von den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg beschlossenes Anlegeverbot betrifft diese genehmigten Plätze nicht. Im Gegensatz zum Ankerverbot konnte ein Anlegeverbot schnell durchgesetzt werden, da die Ufer des Sees den jeweiligen Bezirken gehören – während der See selbst als Bundeswasserstraße dem Bund gehört. Daher kann ein Ankerverbot nur vom Bund und dem WSV beschlossen werden.
Kritik an Booten und Besitzern
Die Schilder mit dem Anlegeverbot sollen bald aufgestellt werden. Die Bezirke wollen damit gegen Boote vorgehen, die an nicht genehmigten Stellen des Ufers festgebunden sind. Die ausgewiesenen Anlegestellen sollen davon nicht betroffen sein. Claudius Schulze glaubt, dass dies zunächst dazu führt, dass einige Boote nicht mehr am Ufer, sondern auf dem See „parken“ werden. Oftmals sind es Eigenbauten oder umgebaute ältere Boote. „Spree:publik“ unterstützt Interessierte dabei, Boote und Flöße zu bauen.
Doch einige Buchtanwohner und die Senatsumweltverwaltung sehen in ihnen oftmals schwimmenden Müll, der nicht aufs Wasser gehört. Es gebe eine Vielzahl von „selbstgebauten Vehikeln“, die „keinen wirtschaftlichen Wert darstellen“, schreibt die Verwaltung. Viele Boote seien weder amtlich erfasst, noch ihre Eigentümer bekannt.
Laut Senat waren im vergangenen Sommer 183 Liegeplätze für Sportboote auf der südlichen Friedrichshainer Seite genehmigt. Zusätzlich zu den genehmigten Anlagen befanden sich 101 Boote an den Spundwänden und auf dem See. 2016 seien es noch 24 gewesen. Hinzu kommen „Partyboote“, die in die Bucht einfahren und manchmal über Nacht bleiben. 2018 gab es 22 Einsätze wegen Lärmbelästigung. Diese „ungeordnete Entwicklung“ habe zu „erheblichen Konflikten geführt, die auf bezirklicher Ebene mit ordnungsbehördlichen Mitteln nicht mehr gelöst werden können“, heißt es von der Senatsverwaltung in dem Antrag auf ein Anker- und Nachtfahrverbot im Rummelsburger See von Ende Februar. Diesen hatte der WSV im Mai abgelehnt.
Die Senatsverwaltung hat jedoch Anfang Juni Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid des WSV eingereicht, verbunden mit dem Hinweis, dass eine ausführliche Begründung nachgereicht werde. Ende Juni lag diese Begründung in der Bundesbehörde immer noch nicht vor, weshalb noch nicht über den Widerspruch entschieden werden konnte.
Ist das ein Boot oder kann das weg?
Die Senatsverwaltung schreibt in dem Antrag vom Februar, Anwohner hätten sich über über „Gegenstände“ im Wasser beschwert. Diese seien, „je nach Auge des Betrachters durchaus als Müll einzustufen“. Das Stadtplanungsamt des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg hat ein Konzept erarbeitet, um „Konflikte zwischen der ansässigen Bevölkerung und den Nutzern des Sees zu vermeiden“. Es soll sicherstellen, dass die Zahl der Anlegeplätze begrenzt bleibt – schließlich seien die Ufer mit Wohnhäusern bebaut worden und die ufernahen Freiflächen sollen als Erholungsflächen dienen. Auch der Fachbereich Stadtplanung in Lichtenberg hat ein Konzept entworfen, das freie Sichtachsen für die Bewohner der Neubauten vorsieht. Diese könnten durch ankernde Boote gestört werden. Zudem gehe der nächtliche motorisierte Betrieb zulasten der Anwohner.
WSV hat andere Sichtweise
Der WSV sieht das anders: Der Rummelsburger See ist ein Nebenarm der Spree-Oder-Wasserstraße und „eine dem allgemeinen Verkehr dienende Bundeswasserstraße“. Es sei jedem gestattet, diese auch zu befahren. Und der Begriff des Befahrens umfasse nicht nur eine Bewegung, sondern auch das Ankern, Liegen, Anlegen und Festmachen. Außerdem würde ein Ankerverbot lediglich die Benutzung eines Ankers verbieten. „Fort wären die Wasserfahrzeuge damit nicht.“ Es sei auch zu beachten, dass durch ein Ankerverbot lediglich der Standort der Boote verlagert würde – zum Beispiel auf den Hauptarm der Spree mit Berufsschifffahrt. Ein Verbot sei „nicht erforderlich, unverhältnismäßig und nicht sachgerecht“. Die Stadt und die Bezirke hätten bei der Uferbebauung beachten müssen, dass es sich bei der Bucht um einen Verkehrsweg handele.
Beklagt werde außerdem hauptsächlich der Lärm der „Partyboote“ – und Lärm, der nicht vom Schiffsbetrieb ausgeht, falle nicht in die Zuständigkeit des WSV, sondern in die der Ordnungsbehörden und der Polizei. Wenn diese nicht in der Lage seien, die Beschwerden zu untersuchen, könne nicht ein allgemeines Ankerverbot die Lösung sein. Denn dieses hätte zur Folge, dass alle Nutzer der Wasserstraße sanktioniert würden, obwohl nur das Verhalten einzelner Nutzer Beschwerden der Anwohner ausgelöst hatten.
„Lummerland“ im Fokus
Die Beschwerden richten sich größtenteils gegen das sogenannte „Lummerland“ – ein Zusammenschluss von Booten und Flößen, sogar eine Sauna gibt es. Anwohner auf der Lichtenberger Seite hatten auf einer Versammlung im März Innensenator Andreas Geisel (SPD) Druck gemacht, er möge endlich etwas gegen das schwimmende Dorf unternehmen. Sie vermuten Drogenkonsum, beschweren sich über Lärm, Müll und Wasserverschmutzung durch Fäkalien. Geisel entgegnete, die Wasserschutzpolizei habe zu wenig Boote, um zu kontrollieren. Die Anwohner machen immer wieder Fotos, die Straftaten belegen sollen. Handfeste Beweise waren wohl noch nicht dabei.
„Spree:publik“ und „Lummerland“ sind zwei recht unterschiedliche Gemeinschaften auf dem Wasser. Letztere sieht die Bucht eher als Ort der Anarchie: Sie war unter den Ersten, die hier waren, noch bevor die Stadt die Ufer mit Luxuswohnungen bebaut hat oder Schule aus München und sein Atelierboot ankamen. Trotzdem koexistiert man, der See verbindet. Man helfe sich gegenseitig, erzählt Schulze, man müsse sich dazu ja nicht mögen.
Polizei überfordert
Die Senatsverwaltung gibt in dem Antrag auf das Ankerverbot zu, nicht mehr Herr der Lage zu sein: Man habe nur ein Streifenboot der Wasserschutzpolizei und 37 Mitarbeiter des Ordnungsamtes im Bootsstreifendienst, um den See rund um die Uhr zu sichern. „Der Wasserschutzpolizei (WSP) gelingt kaum oder gar nicht die Kontrolle der sogenannten Schwimminseln.“ Die „Lummerland“-Bewohner würden die Kommunikation verweigern und die Beamten nicht an Bord lassen. Die Wasserbewohner würden über ein „Frühwarnsystem“ verfügen und seien „ausgezeichnet organisiert“. Gemeint ist wohl eine Whatsapp-Gruppe, in der die See-Community kommuniziert. Laut Senat fällt es der Polizei zudem schwer, dauerhaftes Ankern nachzuweisen. Boote dürften einen Tag lang in der Bucht liegen. Mit jeder Bewegung verlängert sich diese Frist. Eine Kontrolle sei der WSP nicht möglich. Anwohner verstehen das nicht und sind empört: Seit Jahren sehen sie dieselben Boote an immer derselben Stelle. Laut Senatsverwaltung trauen sich viele Anwohner nicht, Anzeige zu erstatten, da sie Angst vor den „Lummerland“-Bewohnern hätten.
Badewanne als Boot
Auch Schulze stört sich gelegentlich an dem Lärm – aber nicht vom „Lummerland“, sondern von Partybooten, die in die Bucht einfahren. Junggesellenabschiede zum Beispiel oder Touristenboote. Und er glaubt, dass die Anwohner um den See nur schwer unterscheiden könnten, woher der Lärm kommt, besonders nachts. Er wirft den Motor seines kleinen Pendelbootes an und fährt zurück zum Ufer. Dort grüßt er eine junge Frau, die sich ein Floss aus unter anderem einer alten Badewanne, Holzpaletten, zwei Surfbrettern und einem Motor gebaut hat. Vorne dran hängt der Kopf eines Plastik-Hirsches. „Das Boot ist sehr schnell unterwegs“, meint Schulze. Einige Anwohner würden es wohl als Müll beschreiben. Sollte es wirklich ein Nachtfahrverbot geben, würde er übrigens einfach paddeln.
RBB: Berliner Senatsverwaltung scheitert Ankerverbot in der Rummelsburger Bucht abgelehnt
In der Rummelsburger Bucht wird es vorerst kein Ankerverbot geben. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Berlin hat einen entsprechenden Antrag der Senatsverwaltung abgelehnt. Für Hobbykapitäne und Hausbesitzer ist das ein Etappensieg. Von Oliver Noffke
Boote werden auch zukünftig auf dem Rummelsburger See ihren Anker werfen können. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA) hat einen Verbotsantrag der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz aus verfahrenstechnischen Gründen abgelehnt, wie die Initiative Spreepublik rbb|24 am Freitag mitteilte.
Das WSA ist der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) unterstellt, einer Bundesbehörde, die für sichere und freie Fahrt auf Bundeswasserstraßen zuständig ist. Das WSA prüfte stellvertretend und stellte dabei fest: „Da im vorliegenden Fall eine Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit der Schifffahrt auf dem Rummelsburger See, welche durch ein Anker- bzw. Nachtfahrverbot hätte beseitigt werden können, nicht besteht, konnte dem Antrag des Landes Berlin nicht stattgegeben werden.“
Anlegeverbot noch nicht vom Tisch
Die Entscheidung, die vom WSA noch nicht öffentlich gemacht wurde, bedeutet einen Etappensieg für Hausbootbewohner und Bootsbesitzer, die in der Rummelsburger Bucht wohnen oder ankern. Ein Anlegeverbot – etwa an den Spundwänden oder Uferbereichen – ist allerdings noch nicht vom Tisch.
In der Rummelsburger Bucht gibt es Spannungen zwischen Bootsbesitzern und einigen landseitigen Bewohnern und Akteuren, wie rbb|24 berichtete. Als Streitpunkte gelten unter anderem Lärm- und Müllprobleme, für die die Senatsverwaltung in ihrem Antrag die Bootsbesitzer verantwortlich gemacht hat. Einige der Hausbootbewohner haben sich zum Förderkreis Spreepublik zusammengeschlossen, um ihre Interessen zu vertreten. Sie weisen die Vorwürfe des Senats als pauschal und ungerechtfertigt zurück.
Beitrag von Oliver Noffke
https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/05/rummelsburger-bucht-ankerverbot-scheitert.html