Werner Graf zu Besuch

Was bedeutet selbstbestimmt Leben? Dieser Frage hat sich Werner Graf, Landesvorsitzender der Grünen in Berlin, gestellt und sich mit unterschiedlichsten Akteru*innen getroffen. Da uns die Liebe zum Wasser eint, natürlich auch mit uns 🙂Damit die Freiräume auf dem Wasser erhalten und ausgebaut werden, müssen Uferflächen öffentlich zugänglich bleiben (#mediaspree….) und die Menschen, die das unkommerzielle Leben auf dem Wasser repräsentieren, gefördert und geschützt werden. WIr sind froh, dass die Grünen in Berlin endlich handeln wollen und fordern wie gehabt einen Kulturhafen für Berlin!

Boote gegen rechts

Berlin, 23. Mai 2018 · Pressemitteilung

Als Zusammenschluss Berliner Boots- und Floßkollektive zeigen wir am 27.5. auf der Spree in Berlin-Mitte Flagge gegen die faschistische und rassistische Hetze der AfD. Wurde noch vor drei Monaten die als „Marsch der Frauen“ propagierte, letzte AfD-Demo in Berlin erfolgreich blockiert, wird für Sonntag erneut von rechts mobilisiert. Unter dem Motto „Zukunft für Deutschland“ wollen angeblich 10.000 Teilnehmer*innen vom Hauptbahnhof bis zum Brandenburger Tor marschieren. Damit soll der Schulterschluss der AfD mit rechten Sammlungsbewegungen wie Pegida und Identitären salonfähig werden.

Gemeinsam wehren wir uns gegen die autoritäre, rückwärtsgewandte und diskriminierende Umstrukturierung der Gesellschaft auf politischer und institutioneller Ebene. So treten wir entschlossen gegen die Aushöhlung von Menschen- und Minderheitenrechte, auch durch die sogenannte parlamentarische Mitte, ein und verurteilen die scheinheilige Vereinnahmung von Frauenrechten und Meinungsfreiheit zu Gunsten rechter Argumentationsstrategien.

Diese Umstrukturierung bedeutet die Etablierung von völkischem Gedankengut, Rassismus, Heteronormativität und Nationalismus in unserer Gesellschaft sowie die Verstärkung von Repression, Stigmatisierung und Diskriminierung gegenüber all jenen, die nicht dazugehören sollen.

Kara Hauser, Pressesprecherin der Wasserdemo Nie Wieder! Boote gegen Rechts: „In dem derzeitigen autoritären Umbau der Gesellschaft erkennen wir Deutschlands Vergangenheit. Nie Wieder! Wir wollen eine solidarische und gemeinsame Zukunft für Alle!“

Wir kommen auf dem Wasser und wir kommen Alle! Wir werden aus dem Aufmarsch der Rechten eine Farce machen: wir sind Viele, wir sind mehr, wir sind Überall. Ein Demonstrationszug glänzt, einer tanzt, einer picknickt und wir kommen mit selbstgebauten Flößen. Wir lassen den blau-braunen Aufmarsch alt und blass aussehen!

Daher werden unsere Flöße an diesem Tag eine Plattform sein für unsere Freund*innen und Genoss*innen aus den Gruppen Women in ExileWe´ll come United!Jugend rettet, Interventionistische Linke und aus dem Erstaufnahmelager Ellwangen, die kürzlich erfolgreich eine Abschiebung verhindert haben. Gemeinsam mit den Frauen des Megaphonchors Hamburg und den Drums of Resistance Berlin werden wir lautstark gegen die unmenschliche Ideologie der AfD und die Abschiebe-Industrie protestieren.

Wir wollen eine solidarische und gemeinsame Zukunft für alle!

Wir laden Sie herzlich zu unserer Kundgebung mit Fototermin an der Marshallbrücke gegen 13:30h ein. Unsere Route können Sie der angehängten Graphik entnehmen. Falls Sie die gesamte Demo von einem der Flöße aus begleiten möchten, melden Sie sich bitte unter bootegegenrechts@posteo.de an und informieren Sie uns, wo sie ein- und aussteigen möchten. Die Uhrzeiten sind Richtwerte. Bitte stellen Sie sich darauf ein, dass Sie nur in Notfällen an Land gebracht werden können.

Weiteres Bild- und Videomaterial sowie eine Presseerklärung der Wasserdemo finden Sie am 27.05.2018 ab 17:00h hier zum Download.

twitter: @Anarche030 und @spreepublik

Pressekontakt: bootegegenrechts@posteo.de // 017647024026

Nie Wieder!
Berliner Boote gegen Rechts

Süddeutsche Zeitung Magazin: Freischwimmer

Weil in den Städten jede freie Fläche zu Bauland wird, flüchtet eine Gruppe von Freigeistern aufs Wasser. Auf dem Fluss, so sagen sie, kann man sie nicht einfach weggentrifizieren. Ein Besuch bei den neuen Berliner Piraten.
Von: Greta Taubert

Wenn die Flöße zusammengetäut vor Anker liegen, entsteht ein eigener Kosmos, eine schwimmende Insel aus Holz.

Eigentlich ist die Rummelsburger Bucht in Berlin ein ziemlich bürgerlicher Naherholungskosmos. Dort, an der Grenze der Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg, starten Motorboote mit Ausflugsgruppen ihre Touren auf der Spree, dazwischen kreuzen Stehpaddler und Familien mit Tretbooten. An den Stegen ankern Hausboote, Mietwohnflöße, kleinere Motoryachten, alte Wohnkähne. Aber inmitten dieser gemütlichen Freizeitwelt treibt noch etwas anderes. Etwas Buntes. Etwas, was nach Aufbruch aussieht und von Abenteuern erzählt.

Aus der Ferne sieht man nur seltsame Gebilde aus Holz, Metall und Stoff. Kommt man näher, den Uferweg der Halbinsel Stralau entlang, zeigen sich fünf selbstgebaute, improvisierte Katamarane, Boote, Flöße. Eines ist vollständig aus alten Fenstern gebaut, ein anderes hat einen Schaukelsitz aus einem Einkaufswagen, auf einem hängt ein altes Steuerrad. Schwimmvehikel, selbst zusammengezimmert aus Schrott, Schweiß und Träumen. Ich frage mich: Von wem? Und warum? Und wie kann ich mitfahren?

Es ist niemand an Bord, also besuche ich zuerst einen alten Freund. Sascha wohnt auf einem umgebauten DDR-Pionierschiff an einem Anleger schräg gegenüber der selbstgebauten Flöße. Er holt mich mit einem kleinen Motorboot vom Ufer ab, wir knattern über die Bucht, vorbei an Industrieschiffen, Luxusyachten und einer Gruppe zusammengetäuter Hausboote, die aussieht wie eine Wagenburg – nur eben mit Booten statt Bauwagen. »Jede Woche kommen neue dazu«, brüllt Sascha gegen das Motorengeräusch an. Was sind das für Menschen, die sich selbst ein Boot bauen? Sascha sagt: »Leute, die frei im Kopf sind.« Das klingt nach einer Phrase. Aber während mir der Fahrtwind an den Haaren reißt, der Motor unter der Sitzbank vibriert und die Gischt spritzt, mitten in Berlin; während ich mir vorstelle, wie es wäre, genau hier zu leben, auf dem Wasser, mit der ständigen Bewegung der Wellen unter mir, bekomme ich eine erste Ahnung davon, wie das gemeint sein könnte: frei im Kopf. Die Freiheit, um die es hier geht, reicht allerdings noch weiter.

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Wer sich ein Boot baut, bewegt sich vom gesicherten Grund weg auf ein unbekanntes Element. Anders als in Amsterdam oder London gibt es in Berlin bisher nur wenige Menschen, die auf dem Wasser leben. Wie viele es genau in der Rummelsburger Bucht sind, lässt sich schwer sagen. Einige wohnen hier das ganze Jahr auf Booten oder Flößen, andere zeitweise, manche kommen nur für Stunden auf ihre Boote. Sicher ist: Es drängen seit einiger Zeit auch jene Menschen aufs Wasser, die ihre freien Plätze an Land verloren haben; die mit ihren temporären Clubs, Ateliers und anderen Kulturorten nicht mehr in den Bebauungsplan der Stadt passen. Jene also, die von der Gentrifizierung verdrängt werden: aufs Wasser. Doch auch die Nische, die sie hier gefunden haben, ist schon bedroht.

Sascha zeigt auf die Ufer rings um die Bucht, die mit Luxus-apartmenthäusern dicht bebaut sind. Die Bewohner sind über ihre freiheitsliebenden Nachbarn nicht erfreut und haben mittlerweile eigens einen Verein gegründet. Die »Interessengemeinschaft Erholungssee Rummelsburg« trifft sich regelmäßig zum Stammtisch und fordert, dass keine motorisierten Boote mehr durch die Bucht fahren dürfen. Der Zugang zum Wasser müsse beschränkt werden. Man könnte auch sagen: Sie wollen ihre Ruhe. Direkt an der Insel will außerdem ein Architekt bald »Floating Homes« parken – noble, schwimmende Apartments.

Es fehlt noch eine letzte Genehmigung von der Stadt Berlin. Solange die aussteht, gibt es sie noch, die Nische, in der nicht-kommerzielle Projekte wie die »Kulturflöße« existieren. Das sind jene schwimmenden Plattformen des alternativen Lebens, um die ich vorher herumgeschlichen bin. Jetzt gehe ich an Bord.

Auf dem größten der Flöße, genannt »Anarche«, ist heute ein öffentliches Plenum der »Spree:publik« anberaumt. Unter diesem Namen haben sich Gruppen und Einzelpersonen zusammengeschlossen, die gemeinsam die Kulturflöße gebaut haben. Etwa hundert Menschen sind ehrenamtlich an den fünf Flößen beteiligt, um sich für die »Öffnung der Wasser- und Uferflächen Berlins« einzusetzen, wie sie sagen. Sie sind alle unkommerziell, basisdemokratisch und selbstverwaltet organisiert. Die Flöße gehören niemandem und sollen für alle offen sein, die ihr Recht auf Stadt auch als Recht auf Fluss verstehen. So bunt die einzelnen Objekte aussehen, so bunt sind auch die Vorstellungen davon, was Begriffe wie »Kultur« und »öffentliche Teilhabe« meinen. Im Sommer veranstaltet die »Wackelberry« ein Bootskino, die »Panther Ray« fischt Müll aus dem Wasser und veranstaltet Workshops zu den Themen Recycling und Open Source, die »Anarche« will an einer Boots-Demo gegen Kohlekraftwerke teilnehmen. Es gibt Lesungen, Theater, Veranstaltungen für Flüchtlinge. Alle stehen vor derselben Frage: Wohin in Zukunft mit den Flößen? Wenn die Anwohner ihr Motorboot-Verbot durchbekommen, wenn der Luxusfloß-Architekt seine Genehmigung erhält, wenn noch mehr Bootsbesitzer mit Geld auf das Wasser drängen, dann wird es eng in der Bucht.

Beim Plenum ist die Rednerliste lang. Es wird diskutiert, welche anderen Orte als Liegeplätze in Frage kämen, wie man am besten mit den Ämtern der Stadt verhandelt, welche Gesetze und Gesetzeslücken es gibt, wie man die Anwohner ins Boot holt. Es ist ein zähes Ringen. Manche meinen: »Wir müssen mit den Entscheidungsträgern weiterhin kooperieren.« Andere: »Wir sind Piraten – wenn wir etwas wollen, müssen wir es uns nehmen und nicht darauf warten, bis man es uns erlaubt.« Die Nacht senkt sich, die Bierflaschen im Sitzkreis werden leerer. Über den Köpfen leuchtet eine rote Lampe mit einem Anarchie-A, dessen Serifen sich zu einem Anker verlängern.

»Der Fluss ist natürlicherweise ein Ort des Widerstands«, sagt später der Spree:publikaner Thomas Scheele. Während sich an Land Strukturen bald verfestigen, könne man sie am Wasser immer wieder neu aufbauen. Scheele engagiert sich beruflich in der sogenannten Clubcommission, einem Verband in der Berliner Subkultur, um Politik und Verwaltung mit den sogenannten Spontannutzern ins Gespräch zu bringen. Das sind jene lose Gruppen junger Menschen, die in leerstehende Fabriken und Brachen einsteigen, Musikanlagen aufbauen, eine Nacht ordentlich rummeln, Open Airs, Raves und Mini-Festivals veranstalten und wieder verschwinden. Berlin war früher mal voll davon, aber es wird schwieriger – Gentrifizierung. Seit zwei Jahren ist Scheele nun im Kollektiv der »Nuria« dabei. »Auf dem Wasser haben wir es auch mit temporären Nutzungsräumen zu tun«, sagt er. Flöße könnten einfach ihren Standort ändern, bevor sie verdrängt werden, und könnten dadurch nie völlig weggentrifiziert werden. Zumindest solange es legale Liegeplätze gibt. Die Spree:publik hätte gern einen Kulturhafen in Stadtnähe.

Wie läuft das in Städten, die noch stärker vom Wasser geprägt sind als Berlin? Ich fahre nach Hamburg, wo auf der Alster ebenfalls ein Verdrängskampf geführt wird, Kapital versus Kultur. Auf einem Bauplatz auf der Veddel steht Sanne Neumuth, eine junge Frau, blonder Dutt, Rock über Leggings, zwischen zwei rostigen Rohren, die die Schwimmkörper für das Kulturfloß »Schaluppe« sind. »Wenn du dir keinen Sportbootschein, kein eigenes Boot und keinen Liegeplatz leisten kannst, kommst du als Hamburger gar nicht mehr aufs Wasser«, sagt sie. Aber der Wunsch, das Wasser zu nutzen, sei gerade in dieser Stadt sehr ausgeprägt – und das selbstgebaute Floß sei eben eine Manifestation dieses Wunsches.

Der »Verein für mobile Machenschaften« – ein Freundeskreis von etwa dreißig Leuten – hat 20 000 Euro via Crowdfunding eingesammelt. Damit wird jetzt wird ein offenes Kulturfloß gebaut, mit dem man Hamburg aus neuer Perspektive erfahren kann. Das Floß soll alle Genehmigungen und Scheine haben, die es in Hamburger Gewässern braucht: Dort, wo Containerschiffe die Fahrrinne kreuzen und die Wellen hochschlagen, würde man mit einem improvisierten Schrottfloß schnell untergehen. Im Team der »Schaluppe« sind Nautiker, Schiffbauingenieure, Tischler, Bootsbauer, Kulturwissenschaftlerinnen, Erlebnispädagoginnen und auch Geflüchtete. Sie schlafen wenig und bauen an dem Floß, das noch in diesem Jahr seine Jungfernfahrt erleben soll. »Wir verwirklichen hier unseren Traum – und den von allen anderen gleich mit«, sagt Neumuth.

Auf einigen alternativen Festivals, die im Sommer an deutschen Seen stattgefunden haben, gab es Floßbauworkshops. In Leipzig baut ein junger Designer ein Kulturfloß, um darauf schwimmende Ausstellungen zu veranstalten. Die Künstlergruppe »Geheimagentur« bereitet einen »Hafen für Interventionistische Seefahrt« in Hamburg vor und vernetzt sich mit anderen Künstlern weltweit, die sich dem »Radical Seafaring« verschrieben haben – der radikalen Seefahrt. Es scheint, als würde sich der Kampf um die städtischen Freiräume, der früher in stillgelegten Industriehallen geführt wurde, gerade auf das Wasser ausweiten. So unterschiedlich die Freibeuter und ihre Aktionen sind, sie alle eint eine gemeinsame Idee: »Reclaim the Water«.

Fotos: Ériver HijanoGreta Taubert und Ériver Hijano

Die Autorin Greta Taubert und der Fotograf Ériver Hijano waren beeindruckt davon, wie lässig die Piraten an Bord gehen: Sie springen einfach von den Ufermauern auf die schaukelnden Flöße. Mittlerweile haben sich beide getraut: Wenn ihnen jemand die Hand reicht, springen sie auch selbst.

Tagesspiegel: Gemeinsame Sache in Friedrichshain-Kreuzberg 2016 Auf Floß geht’s los

Ein Raubtier, das Müll und Unrat frisst: Mit dem Katamaran „Panther Ray“ säubert eine Initiative die Berliner Gewässer. Von Stefan Jacobs

Voller Euphorie. „Wir wollten die Gewässer nicht nur der Industrie und den Dampfern überlassen“, sagt Nadja Berseck.
Foto: Georg Moritz

Schwer zu sagen, welcher Platz der coolste ist: Der original Reitsattel für den Kapitän auf dem Oberdeck? Oder daneben der Altreifensessel? Oder doch der an Ketten aufgehängte Einkaufswagenkorb am Bug, dessen Drahtgitter seitlich als Armlehnen herausgebogen sind? Der Platz achtern am Grill ist auch nicht übel. Sieht jedenfalls alles sehr nach einem wahr gewordenen Traum aus.

Das ist die „Panther Ray“ auch, die Anfang 2015 als Vision von acht Leuten um die dreißig entstanden ist. Sie kannten sich aus dem Studium und hatten die Idee, ein Floß zu bauen, das nicht nur ihnen etwas nützt, sondern auch der Allgemeinheit. Nachhaltig sollte es sein und möglichst öffentlich. „Wir wollten die Berliner Gewässer nicht nur der Industrie und den Ausflugsdampfern überlassen“, erzählt Nadja Berseck, die von Anfang an dabei war. Sie hatten mehr psychologischen als handwerklichen Sachverstand in der Runde, aber das war wider Erwarten kein Nachteil.

Denn statt endloser Debatten hatten sie bald ein strukturiertes Konzept: Finanzierung per Crowdfunding über Startnext, Materialgewinnung mithilfe von Alba und Ebay-Kleinanzeigen, Montageplatz bei einem Bootsbauer in Oberschöneweide, der auch mal einen Blick auf die Schwimmkörper werfen konnte, damit das Projekt nicht baden geht. Was im Februar noch durch die Köpfe geisterte, schwamm im Juli 2015 bereits auf der Spree. Eine schwimmende Holzhütte mit Terrasse ohne Reling, mit überdachter Sitzecke, Küchenzeile und vertikalem Gärtchen steuerbord und eben dem Kapitänssessel samt Fernsteuerung für den Außenbordmotor auf dem Dach. Davor ein Solarpaneel, auf dem man auch sitzen kann. Und achtern, gegenüber dem Grill, steht ein Klohäuschen mit echter Herzchentür und einer ökologisch korrekten Komposttoilette. Die Seile, mit denen das Floß vertäut ist, haben ihr früheres Leben in einem Kletterpark verbracht.

Mehrmals in der Woche sind sie unterwegs

Aus Fischperspektive ist die „Panther Ray“ ein Katamaran, zwischen dessen beiden Kufen die Besatzung unterwegs ein am Bug angebrachtes Drahtgitter herunterklappt, das Unrat von der Wasseroberfläche fängt. Flaschen, Tüten, Äste; einmal auch eine tote Ratte. Außerdem haben sie Kescher an Bord, mit denen sie Dreck vom Rand einsammeln können, wenn ihnen danach ist oder Aktionstage wie die „Gemeinsame Sache“ anstehen. Am 10. September werden sie gemeinsam mit vielen anderen Initiativen in Berlin dafür sorgen, dass die Stadt sauberer und schöner wird.

Am Wochenende davor sind sie bereits mit Tauchern vom Naturschutzbund Nabu verabredet, um Müll vom Grund des Urbanhafens zu bergen, den sie dann entsorgen. Bei anderen Gelegenheiten fahren sie mit Flüchtlingskindern und anderen Menschen, die es aus ihrer Sicht verdient haben. Einfach so, aus dem Bedürfnis heraus, der Stadt etwas zu geben, die ihnen selbst viel gibt. Schöner ist das Angenehme wohl selten mit dem Nützlichen verbunden worden.

Mehrmals in der Woche sind sie unterwegs. Mal tuckern sie abends los von ihrem Liegeplatz an der Halbinsel Stralau, wo sie zwischen anderen Eigenbauten am Rummelsburger See festgemacht sind. Dann gibt’s eine Runde Yoga auf der Bucht. Oder es geht Richtung Innenstadt, wo allerdings Spree und Landwehrkanal nur eingeschränkt befahren werden dürfen. Also fahren sie gern in die andere Richtung, am Plänterwald vorbei – und im August zum ersten Mal zum Müggelsee mit Übernachtung an Bord. Endlich haben sie Zeit dafür. Im vergangenen Sommer hatten sie vor allem die Dankeschöns für ihre mehr als 300 Crowdfunding-Unterstützer abzufahren, die ihnen 11 000 Euro und einigen Sachverstand verschafft haben und beispielsweise mit abendlichen Rundfahrten inklusive Sekt belohnt wurden. Hin und wieder lassen sie sich auch für Events buchen, um die laufenden Kosten hereinzubekommen. Sie entscheiden das im Einzelfall; zielorientierte Diskussionen sind sie ja gewohnt.

Bleibt die Frage nach dem Namen

In Nadja Bersecks Augen leuchtet noch die Euphorie des Aufbruchs, wenn sie davon erzählt, während hinter ihr die Abendsonne die Rummelsburger Bucht in warmes Licht taucht. Sie muss lachen, wenn sie an die skeptischen Blicke der Wohneigentümer aus dem gehobenen Segment denkt: So viele junge Leute mit diesem leicht anarchistischen Gefährt – hoffentlich machen die keinen Müll, so ungefähr. Dabei ist ja das Gegenteil der Fall. Inzwischen ist ihre größte Sorge, dass der Vermieter ihres Liegeplatzes die Genehmigungen für seinen lang gehegten Traum von „Floating Homes“ zusammenbekommt und sie vertrieben werden. Denn dauerhafte Ankerplätze, zumal bezahlbare, sind rar in Berlin.

Ansonsten ist das Projekt in einem Stadium, dass sie sich den Luxusproblemen zuwenden können. Zum Beispiel der Option eines Pizzaofens, den ein Koch aus ihrem Kollektiv gern hätte. Ein leichterer Anker wäre auch toll, damit die Frauen sich keinen Bruch heben. Und erst ein Elektromotor, der allerdings mehr Saft bräuchte als das Solarpaneel liefert. Der tuckernde Außenborder war ein Zugeständnis an die Realität – ein doppeltes sogar, weil sie ihn nach Warnungen vor dem Risiko gebrauchter Motoren neu gekauft haben.

Bleibt die Frage nach dem Namen. Nadja Berseck hat ihn als Rohling aus dem Gespräch mit einer Professorin aus der Uni mitgebracht: „Pantha Rei“. Alles fließt. Heraklit. Griechischer Philosoph, Inspiration vieler Hobbykapitäne. Zu vieler, fanden sie im Kollektiv. Also haben sie die Sache um und um gewendet, bis das denglische „Panther Ray“ herauskam. Die passende Galionsfigur hat ihnen eine befreundete Künstlerin gebaut. Ein Panther aus Holzleisten. Sehr cool auch der.

Re:publica 2016 Vortrag: Spree:publik – Ein Hafen für Kulturflöße

03.05.2016 → 17:30 – 18:00

Short thesis

Erobern wir gemeinsam die Spree! Unter diesem Motto bemüht sich die Initiative Spree:publik, Berlins Wasser- und Uferflächen für eine breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bisher sind die Spree und ihre Kanäle scheinbar unerreichbare Orte, die ausschließlich für kommerzielle Zwecke genutzt werden. Es mangelt an Informationen und Ressourcen zur Potenzialnutzung. Mit Spree:publik soll ein gemeinsamer Schaffensraum und Hafen für Berliner Kulturflöße entstehen, die als schwimmende Plattformen Freiräume für subkulturelle und politische Veranstaltungen bieten.

Description

In Berlin sind in den vergangenen Jahren durch unterschiedliche  Gruppen junger, engagierter MacherInnen Flöße entstanden, die schwimmende Freiräume für subkulturelle und politische Veranstaltung auf dem Wasser schaffen und dadurch einen Beitrag zu einer sozialen und lebenswerten Stadt leisten. Den Kulturflößen gemein sind nicht-kommerzielle Nutzungsstrukturen, Eigenbau aus Recyclingmaterialien sowie Offenheit durch Teilhabe von BerlinerInnen bei Veranstaltungen. Sie vertreten insgesamt etwa 100 Personen, die die einzelnen Flöße ehrenamtlich betreiben und sich für die Demokratisierung und Öffnung der Wasser- und Uferflächen Berlins engagieren.

Gemeinsam setzen sich diese Flöße für den Aufbau eines Berliner Hafens für Kulturflöße SPREE:PUBLIK ein, der den Betrieb mehrere Flöße im Innenstadtraum ermöglicht. Unsere Kernziele sind der Wahrnehmungswandel über und die partizipative Nutzung von öffentlichen Wasserstraßen als soziale und kulturelle Freiräume, das Verdeutlichen des Einflusspotenzials von Graswurzelbewegungen, sowie die Vernetzung von einzelnen Kollektiven und Freiraumsuchenden.

Wir befinden uns derzeit in der Auslotung und Entwicklung bestehender Möglichkeiten und laden ein zu einer offenen Diskussion über urbane Strategien zur Schaffung und Gestaltung von Freiflächen auf und am Wasser. Zudem bieten wir eine Floßfahrt durch den umliegenden Kanal, um die Potenziale des Wassers als sozialen Interaktionsraum erlebbar zu machen und zu zeigen, wie man urbanen Raum zurückerobern kann.

Zitty: Die ökologischen Aktivisten

Euch das Ufer, uns die Spree

Vivien Barnier und die Bootschaft bringen Kino aufs Wasser

FloßkinoFoto: Jannis von Oy
Floßkino
Foto: Jannis von Oy

Auf einer Wiese am Landwehrkanal sitzen gut 200 Menschen und blicken auf eine Leinwand. Vivien Barnier, 26, ist gleichzeitig Zuschauer und Organisator, denn die Leinwand befindet sich auf der Wackelberry, einem Boot, das er mit einem Kollektiv von etwa 15 Leuten gebaut hat: der Bootschaft. Der heutige Abend nennt sich Floßkino. Gezeigt werden Kurzfilme befreundeter Künstler und einer Dokumentarfilmerin, die einen Film über indigene Völker am Amazonas zeigt. Zuvor hat ein Musiker gespielt, und es gab Kartoffelsuppe, ebenso kostenfrei wie der gesamte Abend. Auf Profit, das wird deutlich, ist die Bootschaft nicht aus.

Auf Profit ist die Bootschaft nicht aus

Die Wackelberry ist ein Katamaran, im Frühjahr 2011 aus Kunststoffschwimmkörpern und Holz erbaut. Die Bootschaft ist eine heterogene Truppe, in der sich Künstler ebenso wie Ingenieure zusammengefunden haben. Sie haben den Anspruch, dass das Boot kein reines Freizeitvergnügen sein, sondern politisch-künstlerischen Zwecken dienen soll. Sie begleiten Demonstrationen oder organisieren Workshops zu ökologischen Themen genauso wie Lesungen, etwa der Asyl-Monologe. Auf die Frage, ob die Wackelberry schon mit der Wasserschutzpolizei in Kontakt kam, muss Barnier lachen. „Am Anfang haben sie uns jedes Mal kontrolliert. Doch ich muss auch sagen: Sie waren immer erstaunlich kulant.“ Fliehen könnten die Aktivisten sowieso nicht: die Wackelberry erreicht kaum mehr als 3,5 Stundenkilometer.

Die Bootschaftler werden oft gefragt, ob sie beim Floßbau beraten könnten. Sie helfen gerne, wobei ihnen der ökologische Aspekt wichtig ist, Barnier beschäftigt sich im Studium mit regenerativen Energiesystemen. Den Strom für das Floßkino liefert ein selbst gebauter Solarzellenwagen. Jannis von Oy

Weitere Floßkinotermine gibt es auf www.bootschaft.org

https://www.zitty.de/die-okologischen-aktivisten/